Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
gingen nicht zur Schule, es oblag den Vätern, sie zu unterrichten. Manche nahmen diese Aufgabe ernst, wie Doortjes Vater und erst recht Cornelis’ Familie, aber manche empfanden es auch als unwichtig. Zudem gab es kaum Lesestoff außer der Bibel, andere Lektüre wurde in der Regel als unchristlich abgelehnt. Die Kirche der Voortrekker wünschte sich ihre Mitglieder eher schlicht und gottergeben. Wache, kritische Geister wie Cornelis wurden ausgegrenzt.
Roberta zuckte die Schultern. »Das Essen wurde gerecht verteilt, und die Sachspenden … darum riss sich diesmal niemand von unseren weißen Damen, es sind hauptsächlich Bücher. Mal schauen, ob sie mir in der Schule weiterhelfen. Hier liest niemand außer Doortje VanStout. Und die mag sich scheinbar nicht mit einem Buch sehen lassen, ich habe sie neulich am Fluss entdeckt, wo sie heimlich las.«
Doortje gehörte zur allgemeinen Überraschung zu den ersten Frauen, die sich zum Dienst im Hospital meldeten. Roberta hatte zunächst geargwöhnt, sie suche damit Kevins Nähe, aber tatsächlich versuchte die Burin eher, dem Arzt aus dem Weg zu gehen. Jenny nahm an, sie wollte sich einfach ablenken, der Verlust der gesamten Familie musste entsetzlich schmerzhaft sein. Wahrscheinlich konnte man überhaupt nur damit fertig werden, indem man irgendetwas tat, das einen auf andere Gedanken brachte.
Daisy machte dagegen eine Beobachtung, die andere Schlüsse nahelegte. »Sie will einfach das zusätzliche Essen«, erklärte sie. »Ich hab sie letztens mittags gesehen, sie stopft das Zeug in sich hinein wie eine Verhungernde. Die anderen geben immer den Familien davon ab, die meisten überhaupt nur ihren Kindern. Aber Miss VanStout hat ja niemanden mehr.«
»Sie hat auch schon ein bisschen zugenommen«, konstatierte Jenny. Die Krankenschwester hatte viel Zeit bei ihren schwarzen Schützlingen verbracht, sodass ihr die Veränderung nun stärker auffiel. »Sieht erstaunlich gut aus, wenn man die Umstände bedenkt.«
Tatsächlich schien Doortje sich allem Kummer zum Trotz zu erholen. Kevin konnte den Blick kaum von ihr wenden, wenn sie – jetzt wieder in ordentlicher Kleidung und mit gestärkter Haube – durchs Hospital ging. Die Krankenhauswäscherei war ausreichend mit Seife und Wäschestärke ausgestattet worden, auch hier zeigten sich die Verbesserungen dank des Ladies’ Committee.
Kevin kommentierte nicht, was die Krankenschwestern über die junge Burin sagten. Er sprach überhaupt nie mit ihnen über Doortje VanStout, obwohl Daisy immer wieder versuchte, ihm Informationen über die Zeit in Wepener zu entlocken. Bei Cornelis war sie da etwas erfolgreicher. Sie hatte ihn umgehend um den Finger gewickelt, obwohl Roberta eigentlich fand, der ruhige Gelehrtentyp Cornelis passe besser zu Jenny. Deren Einsatz im Lager der Schwarzen betrachtete er allerdings mit Argwohn und hätte ihre Nähe deshalb nie gesucht.
Jetzt hatte Kevin jedoch eine Idee. »Vielleicht könnte man Miss VanStout mehr in der Schule einsetzen«, bemerkte er Roberta gegenüber. »Sie weiß sicher besser als wir, wie man die Frauen und Kinder anspricht.«
Roberta folgte seinem Rat schließlich mit blutendem Herzen. Sie mochte nicht viel mit Doortje zu tun haben und nicht nur aus Eifersucht. Doortjes Selbstbewusstsein, ihre scheinbare Gefühllosigkeit und ihr Starrsinn schreckten sie ab. Sie konnte gut verstehen, dass Nandé sich vor ihr fürchtete und sie immer noch ehrfurchtsvoll mit Baas ansprach, nachdem sie sich das Mejuffrouw mehrfach scharf verbeten hatte. Doortje war auch gegenüber Daisy und Roberta kurz angebunden und mitunter unhöflich. Roberta jedenfalls fand die Schwarze Nandé deutlich sympathischer als die burische Schönheit.
Was die Schule anging, half Doortje ihr aber tatsächlich rasch weiter.
»Bringen Sie den Mädchen etwas Nützliches bei, dann schicken die Mütter sie auch zur Schule«, sagte sie. Bisher kamen kaum burische Kinder in Robertas Klassenzimmer unter freiem Himmel. Wenn überhaupt, dann erschienen nur kleine Jungen, die sich mitunter recht aufsässig zeigten.
»Gibt’s was Nützlicheres als Schreiben und Lesen?«, fragte Roberta verblüfft.
Doortje lachte spöttisch. »Nähen und Spinnen und Weben«, erklärte sie dann. »Sofern man was zum Nähen, Spinnen und Weben hat …«
Roberta versagte sich eine scharfe Erwiderung und nahm den Rat stattdessen an. Sie konnte selbst nicht spinnen, und Webrahmen hätte der Tischler erst anfertigen müssen. Aber das Nähen
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