Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Du sollst nicht töten.«
Doortje lachte böse. »Das wagen Sie mir vorzuhalten? In diesem Lager? In diesem Krieg?«
Kevin zuckte die Achseln. »Das Kind kann nichts für den Krieg. Und wir beide … waren wir nicht übereingekommen, keine Feinde zu sein?«
»Es wird sowieso verhungern«, meinte Doortje gleichmütig. »Keine Familie wird es aufnehmen, und mich wird auch keiner aufnehmen. Ich kann versuchen, die Farm zu verkaufen – oder das, was davon übrig ist. Mit dem Geld kann ich in die Stadt gehen, aber ewig reicht das nicht …«
»Wird Ihre Gemeinde Ihnen nicht helfen?«
Kevin fragte, obwohl er die Antwort schon kannte. Keine Puritanergemeinde stützte ein gefallenes Mädchen. Ob die betroffene Frau schuld an ihrem Elend war oder nicht.
Doortje schüttelte denn auch den Kopf. »Geben Sie sich keine Mühe, Dr. Drury«, sagte sie hart. »Für mich gibt es genau zwei Möglichkeiten. Ich kann in den Fluss gehen wie Johanna, oder ich kann als die Hure weiterleben, zu der mich die Briten gemacht haben. Es gibt doch … solche … solche Stätten in Pretoria …« Über ihr blasses Gesicht zog tiefe Röte.
Kevin hielt es nicht länger aus. »Sie könnten auch mit mirnach Neuseeland gehen«, sagte er heiser. »Als … als meine Frau. Ich liebe Sie, Dorothea, Doortje, Miss VanStout.« Er lächelte, vielleicht, um sich selbst Mut zu machen. »Eigentlich müssten Sie das längst wissen. Auf jeden Fall würde ich nichts lieber tun, als Sie zu heiraten.«
Doortje sah ihn verständnislos an. »Mit diesem … Kind?«, fragte sie erstickt.
Kevin nickte. »Natürlich. Es würde als unser gemeinsames Kind aufwachsen.« Er dachte vage an Juliet und empfand Schuldgefühle gegenüber Patrick. »Wenn wir gleich hier heiraten, müsste niemand etwas wissen. Ich würde das Kind anerkennen, und ich würde es lieben.«
»Lieben?« Doortje spuckte das Wort aus. »Das …? Diese Brut eines Ungeheuers?«
Kevin nahm ihre Hand zwischen seine beiden Hände und drückte sie fest. Sie fühlte sich kalt an und sehr zart, trotz der Schwielen von der lebenslangen Arbeit auf dem Hof, in Stall und Küche. Kein Vergleich zu Juliets schönen Händen mit den langen, gepflegten Fingern.
»Ich hab’s dir schon einmal gesagt, Doortje. Liebe hat nichts damit zu tun, wie jemand aussieht. Für mich wird dieses Kind schön sein, schon weil dein Lächeln darauf fällt, wenn du es in den Armen hältst.«
»Es wird nichts mit mir gemeinsam haben!«, sagte Doortje trotzig. »Es wird ein Engländer sein. Als Engländer aufwachsen wie sein verfluchter Vater.« In ihren Augen loderte wieder Hass.
Kevin seufzte. »Als Neuseeländer«, verbesserte er. »Und von mir aus …«, er musste über seinen Schatten springen, um das folgende Angebot zu machen, aber Doortje war es ihm wert, für Doortje hätte er alles getan, »… von mir aus könnten wir auf der Farm leben. Meine Eltern haben eine Farm, weißt du, oben in Otago, bei Lawrence. Es ist sehr schön da. Ich bin zwarkein Landwirt, aber ich könnte ja in der Stadt eine Praxis eröffnen. Dann könnte das Kind auf dem Land aufwachsen wie du.«
Doortje schüttelte heftig den Kopf. »Es wird kein Bure sein!«, sagte sie böse. »Es kann kein Bure sein!«
Kevin musste sich zwingen, nicht die Geduld zu verlieren. »Das stimmt, das kann es nicht!«, erwiderte er. Nicht heftig, aber zu schnell. Ihr konnte nicht verborgen bleiben, dass er diesen Umstand nicht bedauerte. Kevin hatte sich in Doortje verliebt, aber er brachte ihrem Volk nach wie vor keine Sympathien entgegen. Doortje schwieg denn auch verstockt. Sie machte Anstalten, ihre Hand aus der seinen zu ziehen. Kevin zog sie an die Lippen, bevor er sie freigab. »Überleg es dir, Doortje«, sagte er dann leise und legte das Buch über Neuseeland neben sie aufs Laken. »Ich bin kein Bure, und unser Sohn wird keiner sein. Sein Land wird nicht Afrika sein, und niemand wird ihm sagen, er sei auserwählt oder was auch immer ihr euren Kindern erzählt. Aber auch Neuseeland ist ein schönes Land, und seine Großmutter kennt viele Geschichten darüber. Sie wird ihm von Papa und Rangi erzählen und ihrer großen Liebe und von Maui, der riesige Fische fing und später den Tod überlisten wollte. Und wenn die Plejaden aufsteigen, lassen wir Drachen steigen. Es könnte schön sein, Doortje. Überleg es dir.«
Doortje antwortete nicht, aber sie wandte sich auch nicht ab. Langsam legte sie ihre Hand auf das Buch.
Draußen vor der Tür rieb sich Roberta
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