Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Haus und auf dem Hof waren nur Hamene und vielleicht Shirley zu verdanken.
»Die Ernte war schon vorbei, bevor du geflogen bist!«, sagte Atamarie energisch. »Und um das ganze andere Zeug brauchst du dich auch nicht mehr zu kümmern. Dobbins sagt, du bist ein gemachter Mann, wenn sich das mit dem motorisierten Flugzeug herumspricht.«
Richard lächelte milde. »Aber ich bin nicht geflogen, Atamie. Höchstens … ein bisschen gehopst. Das sagt Peterson, Atamie. Ich bin ein bisschen gehopst. Wie sonst auch. Ich …«
Atamarie war kein sehr geduldiger Mensch, sie spürte Wut in sich aufsteigen. »Richard, was Peterson sagt, ist unerheblich! Du musst den Flugversuch wiederholen. Du musst es anderen vorführen. Am besten gleich der Presse. Aber wenn du dich das nicht traust … lad Dobbins ein!« Die Idee kam ihr gerade eben, und sie beglückwünschte sich umgehend dazu. Warum war ihr das bloß nicht vorher schon eingefallen? Sie hätte den Professor gleich mitbringen können. »Und seine Studenten auch. Wenn die halbe Hochschule von Christchurch dich fliegen sieht, kann es niemand mehr leugnen!«
Auch du selbst nicht, fügte sie für sich hinzu. Richard schenkte ihr jedoch nur erneut ein leeres Lächeln.
»Ich bin nicht geflogen«, wiederholte er wieder und wieder.
Waimarama trat ein, bevor Atamarie etwas erwidern konnte. »Es ist nicht wichtig für ihn«, sagte sie leise. »Zurzeit ist es nicht wichtig für ihn. Er muss den Weg aus der Dunkelheit finden, Atamarie. Du willst ihn berühmt machen, ich verstehe, worum es für dich geht, Atamarie, ich bin nicht dumm …« Waimarama wies auf das Journal auf dem Tisch. »Ich kann nicht gut Englisch und nur ein bisschen lesen. Aber ich weiß, worum es geht, was für eine große Sache es für pakeha ist, so einen Flugapparat in die Luft zu bekommen. Dass es vorher noch nie jemand getan hat …«
Atamarie nickte erfreut. »Aber dann verstehst du auch, dass er sich jetzt aufraffen muss. Der Welt zeigen muss, dass …«
»Er muss den Weg aus dem Dunkel finden«, wiederholte Waimarama.
Die alte Frau holte ein paar Kräuter hervor, anscheinend plante sie einen Zauber, um Richard zu befreien.
Atamarie gab es auf. Wenn sie sich auf weitere Diskussionen einließ, würde sie verrückt werden. Sie kannte die Maori – Waimarama würde ihre Diagnose immer erneut wiederholen, genauso stereotyp, wie Richard darauf beharrte, nicht geflogen zu sein. Atamarie brauchte frische Luft.
»Ich geh mir mal den Flieger anschauen«, wandte sie sich an Richard.
Sie hoffte, dass er darauf irgendwie reagieren würde, aber er senkte nur wieder den Kopf über sein Journal. Atamarie floh, bevor er womöglich noch leugnete, dass es den Flieger überhaupt gab.
Rasch trat sie hinaus in einen klaren, frühen Herbsttag. Es war sonnig, aber kühl, der Himmel blau bis auf ein paar Schäfchenwolken, und es war ungewöhnlich windstill. Atamarie dachte flüchtig daran, dass es ein idealer Tag für einen Flugversuch war. Bei einem solchen Wetter wäre Richard die Maschine nicht aus dem Ruder geraten. Gedankenverloren wanderte sie um die berüchtigte Ginsterhecke herum und nahm das Flugzeug auf der anderen Seite in Augenschein. Tatsächlich war nichts kaputt. Die flexiblen Bambusstangen hatten die Landung in der Hecke abgefedert, nur die Segeltuchbespannung, die mittels Draht an Gestänge und Fahrgestell befestigt war, hatte sich an einer Stelle gelöst. Atamarie reparierte das mit wenigen Handgriffen. Dann zog sie das Flugzeug aus der Hecke. Es war leicht, sie konnte es mühelos bewegen.
Fasziniert bewunderte sie wieder mal die Konstruktion und besonders liebevoll den Motor und den achtblättrigen Propeller. Er war oberhalb des Sitzes angebracht, Atamarie schwang sich in den Sitz, um das kleine Wunderwerk zu kontrollieren. Sie hatte Richard dabei geholfen, ihn anzufertigen. Und ihn vorn anzubringen war ihre Idee gewesen. Atamarie ertastete Quer- und Höhenruder. Sie wusste, wie man beides bediente, sie hatte die Pläne gesehen. Und so viel anders als bei Rawiris Drachen war es wirklich nicht.
Ich wünschte, du würdest meinen manu fliegen. Deine Hände würden die Leinen streicheln, er würde deinen leisesten Bewegungen folgen und den Göttern deine Botschaft bringen …
Rawiris zärtliche Worte fielen ihr ein. Und sein rührender Vertrauensbeweis, als er ihr dann wirklich die aho tukutuku , die kunstvoll erstellten Leinen aus Flachs, in die Hand gegeben hatte, mit denen sich sein größter
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