Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
genug. Und dann – als es eigentlich keiner mehr erwartet hatte und die Menge der Zuschauer sich schon zu zerstreuen begann, sprang der Motor plötzlich an!
Richard sprang auf den Pilotensitz – auch hier hatte er Verbesserungen vorgenommen, eine größere Beweglichkeit des Sitzes sollte Verletzungen bei einem Absturz vorbeugen –, und die Maschine rollte an. Die Zuschauer liefen dem Flugapparat hinterher und sahen aufgeregt zu, wie er sich in die Lüfte erhob! Atamarie konnte nicht an sich halten. Ganz undamenhaft schrie sie vor Begeisterung, als das Flugzeug leicht wie ein Vogel stieg, bis es etwa zehn Fuß über dem Boden schwebte. Dann plötzlich schüttelte sie heftig den Kopf. Richard hantierte am Höhenruder, er wollte offensichtlich noch höher hinauf.
»Langsam, Dick!«, brüllte Atamarie, obwohl sie wusste, dass er sie nicht hören konnte. »Nimm nicht so einen steilen Winkel, sonst wird es instabil, es …«
Es passierte, noch während sie rief. Die Nase der Maschine hob sich, das Flugzeug geriet aus dem Gleichgewicht, zumal es der Wind nun auch von der Seite erfasste. Richards Flugapparat geriet ins Trudeln, stürzte ab und landete … in seiner Ginsterhecke. Die Zuschauer, die eben noch staunend verstummt waren, brachen in schallendes Gelächter aus.
»Diese Hecke hat eine unwiderstehliche Anziehungskraft!« Peterson grinste. »Los, kommt, ziehen wir ihn raus!«
Die Farmer machten sich mit Gemütsruhe auf den Weg hinunter Richtung Farm.
»Aber diesmal ist er geflogen!«, rief Atamarie. »Sie haben es doch alle gesehen, oder? Diesmal ist er geflogen!«
Hansley lachte. »Ja, diesmal ist er geflogen. Aber nehmen Sie’s mir nicht übel, kleine Lady, wenn jeder Vogel so landen würde, wär die Tierart schon ausgestorben.« Die anderen stimmten in sein Gelächter ein.
»Ist halt mehr ein Kiwi, unser Dicky, keine Schwalbe«, lästerte ein anderer Nachbar – der Kiwi war ein Laufvogel und obendrein blind.
Atamarie ahnte Schreckliches. Auch nach dem erfolgreichen Flug würde Richard in dieser Gegend keinen leichten Stand haben. Zudem schien er sich verletzt zu haben. Er hielt sich die Schulter, als Peterson und Hansley ihn aus dem Flugzeug zogen. Letzteres war kaum beschädigt, wie Atamarie mit einem Blick feststellte. Sie beschloss, keine Rücksicht auf die feixenden Zuschauer zu nehmen, und nahm Richard spontan in den Arm.
»Du hast es geschafft!«, sagte sie und versuchte, glücklich zu klingen, obwohl seine gebeugte Haltung und sein leerer Blick nichts Gutes verhießen. »Du bist geflogen, Richard! Du bist der Erste, der es geschafft hat! Der Flieger hat abgehoben. Du bist mit Motorkraft …«
»Ich bin nicht geflogen«, sagte Richard.
Es klang fast unbeteiligt. Und er reagierte auch nicht auf Atamaries Umarmung. Mit starrem Blick ließ er sich von Peterson zu dessen Wagen schieben.
»Wir bringen dich mal lieber ins Krankenhaus, da scheint was gebrochen zu sein.«
Atamarie versuchte es noch einmal. »Aber alle haben es gesehen, Richard! Alle können es bezeugen. Du bist …«
»Ich bin nicht geflogen«, flüsterte Richard.
Atamarie sah fassungslos zu, wie die Männer ihn wegführten.
KAPITEL 5
»Noch einmal, Miss Turei! Und jetzt langsam und von vorn und ganz ausführlich! Richard Pearse hat unseren alten Ottomotor in einen Flugapparat gebaut, und das Ding ist abgehoben?«
Professor Dobbins lotste Atamarie in sein Büro. Eigentlich hätte er jetzt eine Vorlesung halten sollen, aber die Studenten würden warten müssen.
Atamarie folgte dem Professor, erfreut und erleichtert über die Anteilnahme. Seit Richards Flug am vergangenen Dienstag begann sie langsam, an ihrem Verstand oder zumindest an ihrer Wahrnehmung zu zweifeln. Ein Mann hatte Geschichte gemacht, aber den Zeugen fiel nichts anderes ein, als sich über Bruchlandungen in Ginsterhecken zu amüsieren. Richards Eltern überschütteten ihn mit Vorwürfen, nachdem er wieder mal im Krankenhaus gelandet war, diesmal mit einem gebrochenen Schlüsselbein. Und der Flugpionier selbst wiederholte immer wieder, der Flug habe nicht stattgefunden.
Richards Familie hatte Atamarie im Foyer des Hospitals, wo sie auf Nachrichten von ihrem Freund wartete, ignoriert. Der Arzt beschied sie knapp, dass Mr. Pearse keinen Besuch wünsche, aber er ließ Shirley ein, die mit seinen Eltern kam, anscheinend ebenso aufgeregt wie die Pearses.
Atamarie hatte schließlich nicht weitergewusst und war nach Timaru in ihr Hotelzimmer geflohen. Am
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