Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
zurechtgesetzt hatte. Ewig hielt dasjedoch nicht vor, und so wunderten sich die Dörfler kaum, dass es Richard Pearse jetzt wieder in die Wolken zog. Der einzige Unterschied zu früheren Versuchen bestand für seine Nachbarn darin, dass die Flugmaschine nicht mehr in die Ginsterhecke krachte. Nun mochte sie woanders abstürzen, neuerdings fiel der Vogelmensch, wie die Leute ihn grinsend nannten, ja eher den Maori als seinen weißen Nachbarn auf die Nerven. Aber es häuften sich Berichte, dass die Maschine wirklich flog. Weite Strecken – ein verblüffter Farmer erzählte von fast zweitausend Yards. Außerdem ließ das Biest sich offensichtlich steuern, gleich drei Erntehelfer berichteten, dass die Maschine abgedreht war, als der Pilot sie gesehen hatte.
»Will wohl nicht wieder auffallen«, meinte Peterson schulterzuckend. »Aber andererseits auch wieder typisch Cranky-Dick: Da hat er mal was, das funktioniert, aber dann hält er’s geheim.«
Was einen öffentlichen Flugversuch anging, so versuchte Atamarie nach wie vor, auf Richard einzuwirken. Sie gestand sich nicht ein, dass dies ihre Ausrede war, um nach Temuka zu fahren und zu fliegen. Allerdings war sie nicht gänzlich erfolglos. Richards Zustand änderte sich allmählich, er wurde aufgeschlossener, fast schien es, als ob er aus einer Art Schlaf erwache. Zwar leugnete er seinen Erfolg nach wie vor, aber er redete doch wieder mit Atamarie und interessierte sich für ihr Studium und ihre Berichte aus Christchurch. Atamarie legte in diesem Winter erste Prüfungen ab, sie war dabei, ihr Studium in Rekordzeit zu beenden. Wenn alles glattging, würde sie noch vor Weihnachten ihren Abschluss machen.
Und dann, kurz vor ihrem Examen, als Atamarie ihr Hotelzimmer gleich für eine ganze Woche gemietet hatte, schlief Richard auch wieder mit ihr. Er machte sogar den ersten Schritt und umwarb sie heftig. Atamarie freute sich darüber und genoss die Liebesnacht.
Wenn sie allerdings ehrlich zu sich war, so hatte seine körperliche Anziehungskraft auf sie in den letzten Monaten nachgelassen. Zurzeit blühte er zwar wieder auf, aber langsam kam Atamarie zu dem Ergebnis, dass dieser Mann für sie zu schwierig war und dass er ihre Liebe nicht in dem Maße erwiderte, wie sie es erwartete. Auf die Dauer musste sie die Beziehung beenden, aber vorher wollte sie Richard noch einmal ein Geschenk machen.
Shirley war erneut verschwunden, als sie erkannte, dass Richard sich wieder Atamarie zuwandte, und Richard schien halbwegs guter Dinge zu sein. Atamarie sah keinen Grund mehr dafür, ihm ihre Fliegerei zu verheimlichen, auch wenn sie dabei ein ungutes Gefühl hatte. Vielleicht würde er wütend werden und sie endgültig hinauswerfen. Aber vielleicht brachte sie ihn auch endlich auf den richtigen Weg! Wenn er sah, dass hier nichts mehr schiefgehen konnte, würde er sich vielleicht endlich bereit erklären, der Welt seine Erfindung zu präsentieren. Atamarie sah das auch als eine Art letzte Chance für ihre Liebe an: Wenn er nach dem erfolgreichen Flug trotzdem in Temuka bleiben und den Ruhm mit einer Shirley Hansley teilen wollte, konnte sie ihm nicht helfen!
Am Morgen nach ihrer gemeinsamen Nacht lockte Atamarie ihren Freund ins Maori-Dorf.
»Ich muss dir etwas zeigen, Richard! Unbedingt, auch wenn du mir dann vielleicht böse bist. Aber du musst es sehen, und du musst es glauben, und du musst …«
»Es ist doch nicht wieder diese Maschine?«, fragte Richard ungehalten.
Atamarie gab keine Antwort. Sie lotste ihn nur entschlossen am marae vorbei und den Hügel hinauf, auf dem sie Tawhaki abzustellen pflegte. Den Hang hatte sie schon beim letzten Landen angesteuert und das Flugzeug dann ganz hinaufgezogen, um jetzt gleich in der richtigen Startposition zu sein.
»Komm, ich hab ein bisschen was geändert!« Atamarie zog Richard energisch zu seinem Fluggerät. Tatsächlich hatte sie die Tragflächen ein wenig gewölbt, soweit die Bambuskonstruktion das erlaubte. Außerdem hatte sie ein paar Steuerelemente weiter vorn angebracht, damit sie nicht mehr durch die Luftwirbel hinter der Tragfläche beeinträchtigt wurden. »Aber nur Kleinigkeiten«, behauptete sie. Richard sollte sich um Himmels willen nicht übergangen fühlen!
Nun beäugte er die Verbesserungen – deren Wirkung tatsächlich ziemlich groß war – misstrauisch. Atamarie hatte begeistert vermerkt, wie viel besser der Flieger dadurch in der Luft lag und wie viel genauer er sich steuern ließ. Aber sie wollte
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