Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
dass sie sich beherrschen musste, um ihn nicht aus dem Sitz zu zerren und zu schütteln.
»Und? Geht’s dir jetzt besser?«, brüllte sie ihn an. »Du hast den Flieger kaputt gemacht! Bevor du jetzt eine Demonstration fliegen kannst, musst du ihn reparieren, das kostet erneut Zeit! Und deine dummen Nachbarn werden wieder lachen – das bringt auch keine gute Presse, Richard, wenn sie dich Cranky-Dick nennen!«
Richard sah sie an, und sie fühlte ihr Herz endgültig erkalten.
»Ich bin nicht geflogen«, sagte er.
Atamarie spürte kein Mitleid mehr – und auch ihre gerade wieder aufgeflammte Liebe erlosch angesichts seines leeren Blickes. Das Einzige, was sie noch spürte, war Wut und den Drang, zu verletzen.
»Nein«, sagte sie böse. »Du bist nicht geflogen. Du hast den Mumm nicht, zu fliegen, Dick Pearse. Du bleibst in deiner Ginsterhecke und verkriechst dich wie ein blinder Vogel ohne Flügel! Du wirst nie den Himmel erobern, Richard! Zumindest nicht, bevor du diese Hecke nicht endlich stutzt oder rausreißt oder niederbrennst! Du wirst …«
»Ich bin nicht geflogen …«, wiederholte Richard.
»Du …!« Atamarie suchte nach neuen Schmähungen, die sie ihm entgegenschleudern konnte.
»Lass ihn …« Shirley stand auf einmal hinter dem abgestürzten Flieger. »Lass ihn in Ruhe …«
Atamarie stachelte das jedoch nur noch an. Ohne auf Shirley zu achten, attackierte sie Richard weiter. »Ich hab dich geliebt, du … du Memme! Ich hab dich unterstützt, dir den Motor geschenkt. Aber du … von dir kam ja nie was zurück … du hast immer nur genommen und genommen und genommen, du …«
»Wolltest du für deine Liebe bezahlt werden?«, fragte Shirley spöttisch.
Atamarie blitzte nun auch sie an. »Nein! Nur respektiert! Ich wünschte, ich hätte nicht auf Waimarama gehört. Ich hätte selbst fliegen sollen, vor aller Welt!«
Shirley lachte. »Jetzt gibst du zu, was du wolltest, Atamarie«, sagte sie. »Du wolltest fliegen. Richard war dir egal.«
Atamarie warf den Kopf zurück. »Aber das stimmt nicht! Er wollte fliegen! Und ich … gut, ich wollte es auch, aber ich wollte doch auch, dass er mich liebt … ich …«
»Du hast ihn immer nur geliebt, wenn es ihm gut ging«,sagte Shirley. »Wenn es ihm schlecht ging, hast du ihn verlassen. Du dachtest nur an dich selbst!«
Atamarie warf einen Blick auf Richard, der der Auseinandersetzung zwischen den beiden Frauen nicht zu folgen schien. Er starrte weiter wie gleichgültig ins Leere.
»Ich bin nicht geflogen«, teilte er den beiden ungefragt mit.
Atamarie verdrehte die Augen.
»Dann bleibt doch beide hier und vergrabt euch auf dieser Farm!«, schleuderte sie Shirley entgegen. »Ich wünsch dir jedenfalls viel Kraft. Denn eins ist sicher: Er hat sie nicht!«
Damit ging sie, hocherhobenen Hauptes. Das Pferd war zum Glück noch da und fraß. Atamarie stieg in ihre Chaise und wendete. Sie warf einen letzten traurigen Blick auf Richards Flieger.
»Farewell, Tawhaki«, murmelte sie. »An dir lag es nicht …«
DER ZAUBERER
VON OZ
Südinsel
Dunedin, Lawrence,
Christchurch
1903 – 1904
KAPITEL 1
»Und wie stellst du dir das vor?«, fragte Michael Drury. Er war zu einer Viehauktion in der Stadt, und Kevin hatte sich mit ihm in einem Pub getroffen. »Auch und gerade was deinen Bruder angeht? Es war immer ausgemachte Sache, dass er Elizabeth Station erbt. Du wolltest es nie. Aber auf einmal änderst du deine Meinung, weil dein Burenmädchen Landluft braucht. Willst du jetzt doch Farmer werden?« Michael nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bierglas.
Kevin schüttelte seufzend den Kopf. Die Entscheidung, mit Doortje nach Lawrence zu ziehen, war ihm ohnehin schwer genug gefallen, nun fehlte es gerade noch, dass seine Eltern sich querstellten. Immerhin ein Glücksfall, hier allein mit seinem Vater reden zu können. Lizzie hätte sich womöglich noch drastischer geäußert.
»Natürlich nicht, Vater, ich bin und bleibe Arzt, bestimmt kann ich in Lawrence praktizieren. Auf keinen Fall mache ich Patrick das Erbe streitig. Und es ist ja auch nur … na ja, vielleicht für ein paar Jahre. Bis Doortje sich hier richtig eingelebt hat. Und Patrick wohnt doch noch gar nicht auf Elizabeth Station, er …«
»Er hat den Posten beim Landwirtschaftsministerium gekündigt«, verriet Michael und orderte ein weiteres Starkbier. »Es geht nicht mehr mit May in Dunedin, sie wird zu groß, man kann sie nicht wechselnden Kinderfrauen überlassen. Bis zur
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