Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Schafschur bleibt er noch als Berater tätig, aber dann ziehter zu uns nach Elizabeth Station. Er kann sich um die Schafe kümmern, Lizzie um das Kind – und ich widme mich dem Weinbau.« Er grinste. »Womöglich kriegen wir doch noch etwas richtig Trinkbares zustande und werden reich.«
Kevin verzog das Gesicht. Die Sache mit dem Weinbau auf Elizabeth Station würde Doortje nicht gefallen. Schließlich lehnte ihre Kirche jeden Alkoholgenuss konsequent ab. Aber auch, wenn sie da ein paar Bemerkungen machen würde – ein größeres Desaster als das gemeinsame Leben in Dunedin konnte der Aufenthalt auf der Farm seiner Eltern kaum werden.
Während Michael sich über die Chancen ausließ, dass die junge Frau sich überhaupt an Neuseeland gewöhnen würde, ließ Kevin die letzten Monate nach der Rückkehr aus Südafrika im September 1902 vor sich Revue passieren.
Die Reise war weitgehend ereignislos verlaufen – wenn man davon absah, dass sich ein paar Mitreisende über Nandés Aufenthalt auf dem Oberdeck beschwert hatten. Dabei hatte es nie Probleme gegeben, wenn sie mit Doortje zusammen war, für die sie selbstverständlich die Aufgaben einer Dienerin übernahm. Aber diese halsstarrige Roberta Fence – genauso streitbar und von ehernen Gleichheitsüberzeugungen getrieben wie ihre Mutter und Matariki – hatte darauf bestanden, mit der Schwarzen gemeinsam über das Deck zu flanieren, zu plaudern und zu lachen. Kevin selbst fand das nicht anstößig, aber man hätte doch etwas Rücksicht nehmen können! Auf jeden Fall verschärften Robertas Provokationen die angespannte Atmosphäre, die ohnehin zwischen Doortje und Kevin herrschte.
Doortjes Verhalten brachte den jungen Arzt langsam zum Wahnsinn. Er musste neben ihr schlafen – die Luxuskabine, die er gebucht hatte, bot ein Doppelbett. Aber Doortje machte keine Anstalten, auf seine anhaltende Werbung einzugehen. Wobei sie andererseits aber keinen Zweifel daran ließ, ein »gehorsames Weib« sein zu wollen. Sie hätte stillgehalten, wenn er sie gewollt hätte – und manchmal fiel es ihm verdammt schwer, sich zu beherrschen. Nun war sie inzwischen allerdings hochschwanger gewesen, was den Verzicht etwas leichter machte. Und fast unmittelbar nach der Ankunft in Dunedin war sie dann ja auch niedergekommen – verbittert und schamerfüllt, weil Kevins früherer Partner Dr. Folks sie entband und keine Hebamme. Kevin hätte ihr den Wunsch nach weiblicher Hilfe zwar gern erfüllt, aber die Wehen setzten schon am zweiten Tag in Dunedin ein, ein paar Tage zu früh, wahrscheinlich durch die Aufregungen der Schifffahrt über die am Ende stürmische Tasmansee. Beinahe hätte Kevin seine Frau noch selbst entbinden müssen, was sie zweifellos noch mehr aufgebracht hätte. Aber zum Glück war Dr. Folks verfügbar. Nach ein paar qualvollen Stunden, in denen Doortje jedoch weder schrie noch eine einzige Träne vergoss, legte er der jungen Frau ihren Sohn in die Arme.
»Er kommt nach Ihnen«, sagte er freundlich. »Schauen Sie, was für hübsches blondes Haar er hat. Wie soll er denn heißen?«
Kevin fand es äußerst peinlich, dass sich bisher weder er noch Doortje Gedanken über Namen für das Kind gemacht hatten. Er schlug schließlich Adrian vor, nach Doortjes Vater, aber das lehnte sie so vehement ab, dass Christian Folks schon äußerst verwundert guckte. Kevin rettete sich dann mit Abraham, dem ersten und einzigen Namen aus dem Alten Testament, der ihm auf die Schnelle einfiel. Man konnte den Jungen ja Abe rufen. Doortje hatte diesmal keine Einwände. Sie nahm das Kind auch pflichtbewusst an die Brust, obwohl sie es hielt wie eine Puppe und ihm kein einziges Lächeln schenkte. In der Folge versorgte sie es vorbildlich – zumindest beaufsichtigte sie Nandé vorbildlich bei seiner Versorgung. Ob Doortje ihren Sohn liebte, hatte Kevin bisher nicht herausgefunden.
Für Kevin gestaltete sich die Rückkehr nach Dunedinzunächst ohne jede Komplikation. Die Wohnung konnte gleich bezogen werden, und Dr. Folks zeigte sich hocherfreut, den einstigen Kompagnon wieder in die Praxis aufnehmen zu können.
»Hier ist reichlich Arbeit für zwei«, erklärte er vergnügt. Offensichtlich hatte ihm auch Kevins Gesellschaft gefehlt. »Nur die Ladys mit den unwesentlichen Malaisen sind ausgeblieben, als du nicht mehr da warst. Nun … du wirst sie zweifellos bald wieder anlocken.«
Sehr schnell hagelte es auch erneut Einladungen für den jungen Arzt – die Dunediner Gesellschaft
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