Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
wollte zu einem empörten Vortrag ansetzen, aber Sean lächelte. »Das hat man von der Vogelscheuche im Lande Oz auch gesagt«, meinte er freundlich. »Aber am Ende ernennt sie der Zauberer zu seinem Nachfolger. Lesen Sie Ihrem Sohn das Buch vor, wenn er größer ist, Doortje. Es macht eine Menge Mut!«
Doortje stand bei Heather und Chloé Coltrane, als Kevin sie in der Menge entdeckte – und sie lachte. Kevin mochte das zunächst kaum glauben. Hatte er seine Frau überhaupt jemals von ganzem Herzen lachen hören? Jetzt aber freute sie sich ungeniert über irgendeine Anekdote, die Heather erzählte. Es ging um ein sprachliches Missverständnis, das Heather in Amsterdam widerfahren war. Und als Kevin zu den Frauen trat, verhärtete sich Doortjes Miene nicht, wie so oft in letzter Zeit, sondern sie lächelte ihm zu.
»Miss Heather war in den Niederlanden, denk dir!«, verkündete sie Kevin. »In … in Amster…dam.«
Heather lächelte nachsichtig. »Ich glaube, du solltest deine reizende kleine Frau langsam nach Hause bringen«, wisperte sie ihm zu. »Sie ist ganz schön beschwipst. Aber auch bezaubernd, ich hätte nie gedacht, dass sie so lustig sein kann.«
»Weil man da Leute treffen kann, wie Mijnheer Rembrandt!«, erzählte Doortje vergnügt weiter von Heathers Reisen. »Der malt wie Miss Heather. Miss Heather möchte mich auch mal malen. Glaubst du, das … das ist erlaubt?«
Kevin lächelte und hakte sie unter. »Das ist eine ausgezeichnete Idee und selbstverständlich nicht verboten«, sagte er augenzwinkernd. »Mijnheer Rembrandt ist allerdings schon tot. Er war ein großer Künstler und sehr fleißig. Er hat viele Bilder gemalt. Vielleicht besuchst du Miss Heather mal, sie hat bestimmt Repliken davon.«
Chloé nickte. »Sie hat Rembrandts Bilder persönlich kopiert«, erklärte sie ernsthaft. »Aber wer sie sieht, versteht, warum wir sie nicht aufhängen. Während ihrer Europareise kam Heather an Rembrandts Können noch nicht ganz heran …« Heather tat, als wollte sie ihr Glas nach ihrer Freundin werfen. Chloé kicherte. »Inzwischen hat sie ihn natürlich längst übertroffen.« Sie reichte Doortje die Hand. »Es war wirklich nett, Sie mal näher kennenzulernen, Mrs. Drury.«
Heather und Chloé verabschiedeten sich freundlich, aber mit vielsagenden Blicken auf Kevin und Doortje. Noch warDoortjes Schwips niedlich, aber wenn Kevin und sie noch länger auf der Soiree blieben, konnte es peinlich werden.
Kevin reichte seiner Frau denn auch galant den Arm. »Darf ich dich dann heimgeleiten, Doortje, meine Liebe?«, fragte er, ermutigt durch Doortjes gute Laune. »Du weißt, ich muss morgen früh aufstehen.«
»Aber ich nicht!«, bemerkte Doortje, fast triumphierend. »Ich kann ausschlafen. Aber … das ist natürlich eine Sünde …« Sie schwankte ein bisschen, fühlte sich jedoch so leicht wie nie zuvor in ihrem Leben. »Tut mir übrigens leid mit Mijnheer Rembrandt, Miss Heather … wenn er ein Freund von Ihnen war …«
Leicht schwankend bewegte sie sich an Kevins Arm Richtung Ausgang. Auf dem Weg begegneten sie Juliet und Patrick. Nandé war nicht mehr bei ihnen, sie brachte May nun wohl wirklich ins Bett.
»Nanu, Kevin, ihr geht schon?«, fragte Juliet mit süffisantem Lächeln. »Also, früher hattest du mehr Ausdauer …« Sie warf einen Blick auf Doortje und erkannte deren Zustand natürlich sofort. »Hat Ihnen der Champagner gemundet, Dorothy? Aber ich warne Sie, wenn Sie aus dem Märchenland zurück sind, gibt es Kopfschmerzen.« Juliets Blick wanderte hinüber zu Kevin und wurde spöttisch … und verführerisch. Sie schob sich etwas näher an ihn heran. »Ein flüchtiges Märchenland für dich, Kevin«, wisperte sie in sein Ohr. »Pass auf, sie schläft dir ein, bevor du zum Zuge kommst.«
Doortje schaute sie stirnrunzelnd an. Sie konnte ihre Worte nicht verstanden haben, aber sie war nicht blind.
»Bin nich im Märchenland«, stellte sie fest. Mit einer sanften Kleinmädchenstimme, aber gut verständlich. »Keine Löwen hier … und keine Vogelscheuchen. Nur … nur ’n Kaffern-Weib ohne Herz!«
Kevin nahm seine Frau jetzt erst mal mit auf einen Spaziergang durch die Stadt. Er hätte eine Droschke nehmen können, aber es war nicht sehr weit vom Haus der Dunloes bis zu seiner Praxis und seiner Wohnung in der Lower Stuart Street, und die frische Luft würde Doortje sicher guttun. Auch der Regen, der wieder eingesetzt hatte.
»Immer regnet’s hier in diesem Land«,
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