Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
kompliziert«, fiel ihm Kevin ins Wort. »Mir geht’s eigentlich nur um Verdammnis und Auferstehung und Auserwählte. Das habe ich inzwischen so oft gehört …«
Der Reverend lächelte. »Die ›Sola gratia‹. Sie besagt, dass der Mensch allein durch die Gnade Gottes errettet wird, und nicht, wie wir es lehren, aufgrund guter und schlechter Taten im Leben und durch Vergebung und Buße. Calvin war der Meinung, die Menschheit sei von Anbeginn der Zeiten in Auserwählte und Verdammte eingeteilt. Zu welcher Gruppe man gehört, steht lange vor der Geburt fest, und da ist auch nichts verhandelbar. Die einen werden errettet, die anderen erwartet die ewige Hölle.«
»Verrückt!«, bemerkte Kevin. »Wieso soll man sich dann gut benehmen und keine Sünden begehen, wenn es doch sowieso egal ist?«
Der Reverend hob die Brauen. »Na, na, Kevin, ich hoffe doch, dass die Zehn Gebote dir Werte an sich sind, und du dich nicht nur daran hältst, weil du dich vor der Hölle fürchtest.«
Kevin lachte. »Aber der Himmel bietet schon einen gewissen Anreiz. Wenn man sich dagegen benehmen kann, wie man will …«
»… hat man es im Leben durchaus manchmal leichter«, gab der Revernd zu und leerte sein Glas. »Sehr vernünftig übrigens, dass du die Whiskeyflasche mitgebracht hast. Auch wenn es vielleicht bedeutet, dass wir beide nicht erwählt sind. Aber um auf das Benehmen der Calvinisten zurückzukommen: Die werden streng in Zucht gehalten, die Gemeinde kann Strafen gegen sie verhängen, wenn sie über die Stränge schlagen. Zudem beweist in ihren Augen ein gottesfürchtiges, asketisches Leben das eigene Erwähltsein. Das ist so eine Art Umkehrschluss: Wir gehen davon aus, dass wir gerettet werden,wenn wir möglichst wenig sündigen. Die Calvinisten gehen davon aus, dass sich Erwählung darin zeigt, dass man möglichst wenig sündigt.«
»Es kommt also aufs Gleiche raus?« Kevin schwirrte langsam der Kopf.
»Na ja, ein paar Unterschiede gibt es schon. Zum Beispiel der Umgang der Erwählten mit den Nichterwählten. Man beobachtet da schon eine gewisse … hm … Arroganz …«
Kevin verdrehte die Augen. »Lassen Sie mich mal raten: Zulu, Maori, Mischlinge, Inder … die sind schon mal grundsätzlich nicht erwählt.«
»Exakt«, meinte Burton. »Und Erwähltsein beweist sich auch durch wirtschaftlichen Wohlstand, die Sorge für die Armen darf man also auch auf ein Minimum beschränken. Wobei wir noch gar nicht von den Sklaven reden, die unsere calvinistischen Mitchristen auf ihren Plantagen verheizen. Wenn sich das Zuckerrohr gut verkauft, ist das durchaus gottgefällig.« Er lächelte. »Tut mir leid, Kevin, du merkst schon, ich mag sie nicht. Obwohl die meisten sicher rechtschaffene, gute Menschen sind, die niemandem etwas antun, außer sich selbst. Im Extremfall versagen sich diese Leute ja jeden kleinsten Luxus, jede Entspannung, jede Freude im Leben. Es muss traurig sein, wenn man Glück und Zufriedenheit nur aus Selbstgerechtigkeit heraus erfahren darf.«
Kevin dachte nach und füllte auch sein Glas neu. »Und wenn nun einer von ihnen … also wenn er immer geglaubt hat, er sei auserwählt und würde gerettet, und dann passiert irgendwas, das ihn glauben macht, er … sei doch verdammt …«
Burton seufzte. »Ich weiß es nicht genau, Kevin. Was ich vorgetragen habe, ist Lehrbuchwissen, tatsächlich kenne ich niemanden aus einer dieser Glaubensgemeinschaften. Zumindest keine Strenggläubigen. Hier unter uns sind sicher welche, die sich zum Schein zur Church of Scotland bekennen, abertrotzdem Champagner trinken und bei Kathleen schneidern lassen. Ich würde sagen, in diesem Fall hat der- oder diejenige ein ernstes Problem. Für einen solchen Menschen muss die Welt einstürzen. Kevin, geht es um deine Frau? Um Doortje?« Peter Burton sah sein Gegenüber forschend an.
Kevin stellte sein Glas auf den Terrassentisch. »Ich … ich muss mal wieder rein, Reverend. Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Mir ist jetzt, glaube ich, einiges klarer.«
Der Reverend nickte. »Du wirst viel Geduld brauchen, Kevin. Und deine Doortje einen neuen Glauben. Aber wenn man sich überlegt, dass diese Leute für ihren Glauben Ozeane überquert und Gebirge überwunden haben und Kriege geführt …«
»Das waren dann aber immer ganze Gruppen, die sich gegenseitig Kraft gaben«, gab Kevin zurück. »Und natürlich waren sie alle … auserwählt … Und Doortje …«, seine Stimme wurde weich, »Doortje ist ganz
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