Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
leiden, Doortje«, erklärte sie ihr. »Ich bedauere es, dass sich das Reformkleid nicht durchgesetzt hat, aber wenn Sie gegen die herrschende Mode darauf bestehen, veraltete Kleider zu tragen, wird Miss Juliet weiter sticheln. In diesem Kleid dagegen …« Bewundernd standen Kathleen und Claire vor der jungen Burin, die ein tiefblau schimmerndes Satinkleid mit aquamarinblauer Knopfleiste und Applikationen anprobierte. »In diesem Kleid werden Sie alle Blicke auf sich ziehen …«
Kevins Blicke waren an diesem Abend bestenfalls unstet. Er äußerte sich nur knapp zu Doortjes Anschaffungen, was bei ihr gleich wieder Schuldgefühle auslöste. Die Rechnung war ja auch wirklich exorbitant ausgefallen. Beim Essen griff er nur zögernd zu und zog sich anschließend gleich noch einmal in die Praxis zurück.
»Ich hab noch ein paar Dinge aufzuarbeiten, Doortje, sei nicht böse.«
Doortje blieb verwirrt zurück. Am Morgen war er noch so aufmerksam gewesen. Und nun … dabei hätte sie diesmal wirklich gern mit ihm gesprochen. Über Violet vielleicht und die Frauen im Gemeindekreis. Aber Kevin war auf einmal ganz anders … Doortje flüchtete sich schließlich ins Bett und nahm das Benimmbuch mit. In den nächsten Tagen studierte sie es mit ihrem gewohnten Ernst. Noch einmal würde Juliet Drury-LaBree sie nicht bloßstellen!
Doortjes nächste Begegnung mit Juliet war ein Triumph – Kathleen und Claire hatten nicht zu viel versprochen, was die Wirkung ihres Kleides anging. Patrick und Juliet waren zwei Wochen später erneut für ein Wochenende nach Dunedin gekommen, und Doortje stach bei einem Samstagabenddinner bei Heather und Chloé alle aus, von Juliet Drury-LaBree bis Roberta Fence. Dabei war die junge Lehrerin eigentlich die Überraschung des Abends. Auch sie trug nach der langen Periode der Reformkleider zum ersten Mal wieder ein Korsett, und ihr Anblick in ihrem schokoladenbraunen Kleid mit cremefarbenen Stickereien war wirklich atemberaubend. Kevin machte Roberta Komplimente, was sie zunächst glücklich zu machen schien. Aber dann, als sie Doortje in ihrem neuen Staat sah, wirkte sie verunsichert. Die Burin war derart schön, und Kevins Augen leuchteten so unübersehbar auf, wenn er sie ansah – Roberta musste sich erneut eingestehen, dass für sie keine Chancen bestanden, ihre alte Liebe doch noch zu erobern. Zumal Doortje sich ja anzupassen schien.
Robertas letzte Hoffnungen hatten darauf beruht, dass die Burin sich niemals in Neuseeland einleben und so lange gegen das neue Land kämpfen würde, bis Kevins Liebe schließlich erlosch und er sich von ihr trennte. Nun sah es nicht danach aus. Roberta seufzte, aber sie war entschlossen, es Doortje nicht übel zu nehmen. Also plauderte sie besonders freundlich mitder jungen Frau, fragte sie nach ihrem Leben auf Elizabeth Station und in Dunedin und wunderte sich ein wenig über das böse Aufblitzen in ihren Augen, als sie Juliet erwähnte.
»Patrick wohnt ja jetzt mit seiner Frau auf der Farm, da war für uns kein Platz«, sagte Doortje bedauernd. »Wir haben es dann noch in dem alten Goldgräberhaus versucht, aber Kevin wollte doch wieder nach Dunedin zurück.«
Roberta registrierte, dass Doortje das nicht gefiel, und führte ihre Abneigung gegen Juliet auf diese Vertreibung zurück. Aber dann betraten Patrick und Juliet den Raum – und Roberta, langjährige Expertin für die Auslotung kleinster Stimmungsschwankungen bei Kevin Drury, war sofort alarmiert.
Tatsächlich versteiften sich beide Drurys, als Juliet in ihrer dunkelroten Abendrobe hereinrauschte – eigentlich an Patricks Arm, aber tatsächlich sah es eher aus, als zöge sie ihren Gatten hinter sich her. In Doortjes Augen stand bei ihrem Anblick ein bisschen Angst, aber auch Wut und Kampfgeist, während Kevin … Roberta konnte seinen Ausdruck nicht deuten. Auch er schien nicht uneingeschränkt begeistert von Juliets Erscheinen zu sein, aber da war auch ein Leuchten in seinen Augen, das er sonst zeigte, wenn er sich auf einen wagemutigen Ritt oder ein anderes Abenteuer einließ. Vielleicht spiegelte sein Blick auch Begehren – aber damit war er natürlich nicht allein. Die meisten Männer im Raum schauten lüstern, wenn sie Juliets wiegende Hüften, ihr breites Lächeln und ihre Brüste sahen, die ein weiter Ausschnitt betonte. Das Kleid war eindeutig nicht von Lady’s Goldmine. Kathleens Entwürfe unterstrichen zwar die Schönheit der Frauen, aber aufreizend wirkten sie nicht.
»Schau da
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