Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Pupillenreaktion. Gänzlich normal.
»Sie haben Fieber gemessen?«
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Erstens hatte er eben auch die Körpertemperatur genommen, und zweitens hätte Rosie Zeter und Mordio geschrien, hätte das Thermometer am Morgen mehr als 102 Grad Fahrenheit angezeigt. So hatte sie mit der Konsultation immerhin ein paar Stunden gewartet, bis Vincent sowieso in Lord Barringtons Stall war, um einen seiner Vollblüter zu behandeln.
»Sie hatte kein Fieber«, bestätigte Rosie. »Und sie ist auch ganz gut gelaufen. Eher war sie ein bisschen verrückt im Training, sie ist sogar zweimal angaloppiert, das tut sie sonst nie! Aber hinterher hat sie gezittert, und ich hatte das Gefühl, ihr sei schwindelig.«
Vincent lächelte. »Ich glaube, Ihnen und Ihrem Pferd gehen zurzeit ein bisschen die Nerven durch. Und das ist ja auch verständlich, der Auckland Cup ist eine große Sache. Und die Schiffsreise, die ungewohnte Rennbahn … das kann einem auf den Magen schlagen. Sehen Sie doch an Lord Barringtons Pferden …« Vincent hatte eben das zweite in drei Tagen gegen eine Kolik behandelt. »Und Diamond hat eben schwache Nerven.«
»Diamond hatte noch nie schwache Nerven!«, erklärte Rosie. »Und sie hat auch kein Herzrasen, weil sie sich vor Ihrem Stethoskop fürchtet, wie Sie letztes Mal gesagt haben. Diamond hat vor gar nichts Angst.«
Vincent ging die Angelegenheit auf die Nerven, aber so recht leugnen konnte er Rosies Argumente auch nicht. Trotting Diamond war gewöhnlich die Gelassenheit selbst, sie vertraute ihrer Rosie vollkommen und war auch brav als Erste auf die Fähre gestiegen. Die neue Box auf der Rennbahn in Ellerslie fand sie ebensowenig furchterregend wie das etwas andere Geläuf auf der Rennbahn. Sie fraß von Anfang an gut und schaute freundlich und unbeeindruckt von Vincents diversen Untersuchungen in die Welt.
»Dann haben eben Sie schwache Nerven, Rosie«, folgerte Vincent. »Und das überträgt sich auf Diamond. So was gibt es. Bestimmt. Und dazu passt auch, dass es immer besser ist, wenn ich dazukomme. Sie beruhigen sich, wenn der Tierarzt da ist, also beruhigt Diamond sich auch. Also versuchen Sie, sich nicht aufzuregen, egal, was passiert. Diamond wird morgen wunderbar laufen, glauben Sie es mir!«
Rosie schien nicht ganz zufrieden, ließ ihn jetzt aber immerhin gehen.
»Ich werde trotzdem bei ihr schlafen!«, erklärte sie.
Vincent nickte. »Tun Sie das, solange nur ich nicht bei ihr schlafen muss. Ich nehme jetzt nämlich den Zug nach Auckland und schaue mir die Stadt an. Das sollten Sie auch tun, Rosie, Sie sind doch bisher noch nie so weit gereist.«
Rosie zuckte die Schultern. Sie war als Kind von Wales nach London und von London nach Neuseeland gereist, dann zur Westküste und wieder zurück und in die Fjordlands. Gefallen hatte es ihr eigentlich nur in den Pferdeställen, wo alles sicher, warm und ruhig war und seine tägliche Ordnung hatte. Ganz bestimmt würde sie diese Sicherheit nicht aufgeben, nur um sich einen Hafen oder irgendwelche modernen Gebäude anzuschauen. Vorerst beruhigt richtete sie sich neben Diamond ein.
Vincent dagegen fehlte die Ruhe, um die Schönheit der Hafen- und Parkanlagen von Auckland wirklich zu genießen. Auch er war zum ersten Mal hier, aber er hatte davon geträumt, sich die Stadt gemeinsam mit Roberta anzusehen. Die Nordinsel wäre auch ein schönes Ziel für eine Hochzeitsreise gewesen, es gab so viele romantische Orte und verschwiegene Strände. Aber Roberta machte sich nach wie vor rar – sie war nicht mehr nach Christchurch gekommen, nachdem diese Juliet zu ihrem Mann zurückgekehrt war. Das jedenfalls war das einzige Ereignis, mit dem Vincent ihre erneute Zurückhaltung in Verbindung brachte – auch wenn er die Zusammenhänge nicht verstand. Irgendetwas musste allerdings nicht stimmen, auch Kevins Briefe waren seltsam geworden, seit dieser kreolische Vamp zurück in Dunedin war. Meist schrieb er nichtssagend, listete nur Ereignisse und Festivitäten auf, die er mit Doortje besucht hatte. Mit der musste es also eigentlich besser gehen, auch aus Robertas Briefen ging hervor, dass Doortje sich anpasste. Sie schien sogar äußerst erfolgreich zu sein –zu Kevins Erstaunen erwähnte sogar der Gesellschaftsteil der Otago Daily Times mehrmals die schöne Frau des jungen Arztes. An sich hätte Kevin also zufrieden sein müssen – aber wenn er Doortje überhaupt erwähnte, dann mokierte er sich über ihr schlechtes
Weitere Kostenlose Bücher