Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Verhältnis zu seinem Bruder Patrick und dessen Frau.
Vincent neigte dazu, eins und eins zusammenzuzählen. Ob da eine alte Liebe wieder aufgeflammt war und Kevin Doortje mit Juliet betrog? Vincent hoffte das nicht, er erinnerte sich noch zu genau an seine eigene gescheiterte Ehe. Weder war eine Scheidung erfreulich noch sah er Chancen für eine glückliche Beziehung zu einer Frau wie Juliet. Seine eigene Gattin war ihr ähnlich gewesen – strahlend schön, sprühend, amüsant … aber viel zu unstet, um eine gute Ehe zu führen. Vincent hatte daraus gelernt. Er träumte nur noch von einer Frau wie Roberta. Freundlich, liebevoll, geduldig und absolut treu – selbst einer Jugendliebe gegenüber, mit der sie niemals auch nur einen Kuss getauscht hatte. Kevin zog Roberta immer noch an, da war Vincent sich sicher. Aber was erhoffte sie sich da bloß? Selbst wenn er sich von Doortje trennte – Roberta müsste dann immer noch an Juliet vorbei. Völlig unmöglich für eine unschuldige, wohlerzogene junge Frau, so schön und gesellschaftlich passend sie auch war.
Vincent jedenfalls war entschlossen, bald eine Entscheidung zu erzwingen. Roberta würde zum Rennen nach Christchurch kommen. Zum New Zealand Cup oder vielleicht auch schon zu den Qualifikationsrennen. Sie konnte mit Heather und Chloé reisen oder mit ihren Eltern. Die würde Vincent dann gleich kennenlernen und um Robertas Hand bitten.
Wenn Roberta Ja sagte. Wenn sie sich endlich von ihrem kindischen Traum trennte.
Nun aber stand erst mal das Rennen in Auckland an, und von Rosies Bekannten war lediglich Bulldog erschienen. Derkräftige Transportunternehmer war tief enttäuscht, als Rosie sich weigerte, am Abend mit ihm auszugehen.
»Meinen Sie nicht, Miss Rosie, dass Diamond vor dem Rennen auch ganz gern ein bisschen allein wäre?«, machte er einen scherzhaften Versuch, sie zu überreden. »Sie hat doch hier sehr nette Gesellschaft.«
Tatsächlich verstand Diamond sich gut mit ihrem Stallgefährten, einem braunen Wallach aus dem Rennstall der Barringtons. Die Pferde standen auch in Addington nebeneinander, sodass keins von ihnen sich an einen anderen Boxnachbarn hatte gewöhnen müssen.
»Auf Triangle muss ich ebenfalls aufpassen!«, erklärte Rosie ernst. »Der hatte vorhin eine Kolik. Und sein Pfleger kümmert sich überhaupt nicht um ihn. Ich will nicht gern petzen, aber ich hab schon überlegt, ob ich’s dem Lord sage. Finney macht nur das Nötigste.«
Finney, ein hagerer, rattengesichtiger kleiner Ire, war eingestellt worden, nachdem Rosie den Lord zitternd vor Nervosität gebeten hatte, sie aus der Stelle als Pflegerin zu entlassen. Seitdem Diamond und Dream beide erfolgreich Trabrennen liefen, hatten bereits drei weitere Pferdebesitzer ihre Ressentiments gegen eine Frau als Trainerin aufgegeben. Von dem Geld dafür konnte sie gut leben, Bulldog hatte sogar schon vorgeschlagen, eigene Ställe in Addington zu pachten. Bislang war Rosie aber noch unentschlossen, und auch der Lord riet nur zögernd zu. Zwar zweifelte er nicht an Rosies Fachkompetenz, aber er machte sich Sorgen um ihre Durchsetzungsfähigkeit gegenüber der Konkurrenz.
»Hier kann ich auf Sie aufpassen, Rosie. Niemand kann Ihnen oder den Pferden etwas tun, der Stallmeister ist verlässlich, und die Sicherheitseinrichtungen sind gut«, gab er zu bedenken. »Aber wenn Sie ganz allein sind …«
Bulldog ließ zwar keinen Zweifel daran, dass er die Rollevon Rosies Beschützer sehr gern übernommen hätte, aber dazu hätte sich die Beziehung zwischen den beiden schon vertiefen müssen. Rosie war jedoch zurückhaltend. Und außerdem hielten sowohl Lord Barrington als auch Chloé Bulldog für erheblich zu arglos im Umgang mit Leuten wie Joseph Fence und anderen Trainern. Bulldog konnte darüber nur lachen. Er hatte es schon mit härteren Kerlen aufgenommen. Und genauso beharrlich, wie er sich in London durchgeschlagen, das Zwischendeck des Auswandererschiffes beherrscht und dann sein Transportunternehmen aufgebaut hatte, warb er jetzt um Rosie Paisley.
»Sie müssen aber was essen, Rosie!«, meinte er auch geduldig an jenem Abend vor dem Rennen. »Warten Sie, ich habe eine Idee! Ich hole uns jetzt Fish and Chips aus dem nächsten Pub, und dann picknicken wir hier im Stall!«
Rosie nickte beruhigt – sie hatte tatsächlich Hunger. Und dann brachte Bulldog auch noch für jeden von ihnen ein Bier mit. Rosie war richtig gut gelaunt und aufgekratzt, als Barringtons Pferdepfleger,
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