Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Wintergarten des kleinen Cafés bei der Kathedrale belegt. Es war allerdings doch noch recht kalt. »Kommst du nun mit zu den Ngai Tahu bei Elizabeth Station?«, fragte Atamarie schließlich.
Roberta fröstelte. »Um Matariki mal mitzuerleben? Draußen rumsitzen, in den Himmel gucken und frieren, während du mit deinem Rawiri flirtest – sofern man das dauernde Gerede über Höhenruder und Tragflächen und was nicht alles als Flirten bezeichnen kann?« Sie klang nicht sonderlich begeistert.
»Kevin und Doortje kommen mit«, bemerkte Atamarie listig. Noch gut eine Woche zuvor hätte diese Eröffnung bei Roberta ein sofortiges Umdenken bewirkt. Jetzt zuckte sie allerdings nur mit den Schultern. »Und Patrick und Juliet«, fügte Atamarie hinzu.
Roberta biss sich auf die Lippe. Sie hatte ihrer Freundin noch nichts von ihrer Beobachtung in Kevins Praxis erzählt. »Doortje sollte … auf Kevin aufpassen«, begann sie vorsichtig.
Aber während sie sich die Worte noch zurechtlegte, betrat Rawiri den Wintergarten.
»Hier seid ihr!«, rief er und legte Nase und Stirn leicht an Atamaries Gesicht. Ein hongi , obwohl es hier eigentlich keiner förmlichen Begrüßung bedurft hätte. Aber vor einem Kuss scheute Rawiri zurück. Solange Atamarie sich nicht endgültig entschieden hatte, würde er ihr nicht zu nahetreten. »Wieso sitzt ihr hier in der Kälte?«
»Wir üben schon mal für Matariki«, bemerkte Roberta. »Atamarie will mich mitnehmen, aber ich habe keine Lust.«
»Es ist doch sehr erhebend!«, begeisterte sich Rawiri. »Wenn es eine klare Nacht ist zumindest. All die Lieder und Tänze, die Drachen … möchten Sie den Göttern keinen Gruß in den Himmel schicken? Keinen Wunsch oder Ähnliches?«
Roberta schüttelte lachend den Kopf. »Ich bin wunschlos glücklich!«, meinte sie und hielt ihm ihren Verlobungsring entgegen.
Rawiri lächelte. »Könnte ich auch sein«, meinte er. »Atamie, Professor Dobbins hat mir geschrieben! Er möchte tatsächlich, dass ich einen Vortrag über die Brüder Wright halte. Und ein Seminar über Maori-Drachenbau organisiere. Außerdem würde er sich freuen, mich im nächsten Semester als Student annehmen zu können. Also, wenn du möchtest …«
Atamaries Gesicht umwölkte sich. Auch sie hatte Postvon Dobbins, er bot ihr erneut einen Job als wissenschaftliche Hilfskraft an, was sehr großzügig war. Ihre ersten halbherzigen Bewerbungen auf andere Stellenausschreibungen hatten ergeben, dass eine weibliche Ingenieurin nicht gerade mit Angeboten überhäuft wurde.
»Ich habe …«, Rawiri zog seine Jacke enger um sich, als wollte er sich darin verstecken, »… ich habe ihm übrigens geschrieben, dass ich nichts dagegen hätte, mit Richard Pearse zusammenzuarbeiten.«
Die beiden Frauen richteten sich alarmiert auf.
»Du hast was?«, fragte Atamarie.
Rawiri senkte den Blick. »Na ja, ich dachte, er könnte seinen Flieger vorstellen und seine Flugversuche und ich die der Brüder Wright. Das wäre doch fair, oder? Sozusagen ein … Vergleich.«
Atamarie schenkte ihm einen liebevollen Blick. »Das ist … das ist sehr … großzügig von dir«, murmelte sie.
Rawiri zuckte die Schultern. »Ich vergebe mir da nichts. Ich bin ja nicht geflogen …«
»Aber du würdest ihm ein Forum geben!« Atamarie wirkte plötzlich lebhafter. Sie begann erkennbar, sich für die Idee zu begeistern. »Er könnte seine Arbeit wenigstens mal vorstellen, ein bisschen Aufmerksamkeit kriegen …« Roberta verdrehte die Augen. »Was sagt denn Dobbins?«, fragte Atamarie gespannt. »Würde er es machen?«
Rawiri betrachtete sie liebevoll, aber das Strahlen war aus seinen Augen verschwunden. »Die Idee gefiel ihm«, sagte er schließlich. »Aber er hat Pearse nicht erreicht. Der Brief kam zurück, unbekannt verzogen. Tut mir leid, Atamie. Ich dachte … ich wollte dir helfen, dich zu entscheiden. Aber die Götter spielen ein unfaires Spiel. Ich werde weiterhin gegen einen Geist ankämpfen müssen.«
Roberta holte tief Luft. Sie fand Rawiri ungemein sympathisch – aber auch sie hatte das Strahlen in Atamaries Augen gesehen, als sie wieder Hoffnung schöpfte, Richard Pearse zu treffen.
»Der Geist«, sagte sie, »wohnt bei Loudens Gully, in der Nähe von Milton, Otago. Ungefähr dreißig Meilen von hier, Atamie. Du kannst morgen den Zug nehmen.«
Atamarie und Rawiri vergaßen die Kälte im Wintergarten, als Roberta von ihrem Abstecher nach Temuka berichtete. Rawiri lauschte mit gespielter
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