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Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin

Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin

Titel: Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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hätte das getan, bevor er sich der Wissenschaft so vollständig zugewandt hatte. Vollständig? Oder wollte auch er eine Entscheidung der Götter? War sein hochherziger Vorschlag, Richard zu einem gemeinsamen Vortrag ins Canterbury College einzuladen, vielleicht nichts anderes als ein Orakel?
    Atamarie lächelte. Warum eigentlich nicht?
    Am nächsten Morgen lieh sie sich ein Pferd von Michael und ritt in die Berge. Sie sang leise die traditionellen Lieder, als sie sich auf die Suche nach einem Raupo-Busch machte, und bat die Götter ehrerbietig um Erlaubnis, bevor sie sich ein paar Blätter schnitt. Atamarie baute keinen großen Drachen, aber sie machte sich viel Mühe mit dem Gestell aus Manuka-Holz und berechnete sorgfältig die Flügelweite des birdman . Der manu sollte flugfähig sein, mehr noch, er sollte gut sein. Atamarie intonierte die alten Gebete und Gesänge, während sie die Teile zuschnitt und zusammenfügte. Aber in der Nacht, als sie allein in ihrem Schlafsack am Feuer lag und zu den Sternen emporsah, ließ sie ihre Gedanken schweifen. Taku und toku  – die Vergangenheit und ihre Gewichtung. Wie oft war sie zu Richard gefahren, wie oft hatte sie ihn getröstet, ermutigt, ihm geholfen. Atamarie dachte immer noch mit Schaudern an die Zeit der Ernte. Und wie oft hatte er Kontakt gesucht? Wie oft hatte er sich um sie gekümmert? Sie hatten eine Leidenschaft geteilt, sie hatten auch das Bett geteilt, und es war schön gewesen. Er hatte ihr Herz berührt. Aber auch ihre Seele? Atamarie überlegte, wie er in ihre pepeha , ihre Lebensbeschreibung, passen würde, wenn sie denn eine zu halten hätte. Wie wichtig war er für sie? Und wie wichtig war sie für ihn gewesen? Hatte er sie zu schätzen gewusst? Konnte Vergangenheit für ihn Zukunft sein, oder gab es vielleicht weder das eine noch das andere für ihn? Was verankerte ihn in der Gegenwart? Atamarie konnte kein maunga ausmachen, keinen Berg im echten oder übertragenen Sinne, der Richard Pearse hielt und ihm Halt gab. Nur eine Ginsterhecke – Symbol seines Scheiterns. Sie schwankte zwischen Lachen und Weinen, als sie irgendwann, nach drei Tagen Arbeit und kurz vor Matariki, den Drachen aufließ. Sie hatte ihn sorgfältig bemalt, sie fand, dass er Richard irgendwie ähnelte. Birdman  – die Maori hatten Pearse so genannt. Ein Wesen zwischen Himmel und Erde, zwischen Vogel undMensch – vielleicht anbetungswürdig, aber keines, das seinen Platz im Diesseits finden konnte.
    Atamarie folgte dem Drachen mit den Blicken, sie hielt ihn an einer einzigen aho tukutuku . Kein Lenkdrachen, nicht sie, die Götter sollten ihn lenken. Der Wind schien zuerst leicht und angenehm, als er den Drachen erfasste. Der birdman stieg schnell auf, während Atamarie sang. Aber dann schwieg sie und wartete. Der Drachen schwankte im stärker werdenden Wind. Er zerrte an seiner Leine. Atamarie hielt ihn. Es fiel schwer, loszulassen. Aber dann erfasste ihn ein Windstoß. Der manu schoss zur Seite. Atamarie ruckte am Seil, aber sie wusste, dass sie den Absturz nicht aufhalten würde. Der Drachen schien sich noch einmal zu stabilisieren, als sie die Leine durch die Finger gleiten ließ. Er stieg erneut steil in die Höhe, aber dann schwankte er … Atamarie sah ihn fallen und irgendwo im Buschwerk verschwinden. Es war keine Ginsterhecke. Aber nach dem Glauben ihrer Ahnen wohnten die Geister in jedem Baum und Strauch. Sie würden hier nicht anders über Richard Pearse urteilen als in Temuka.
    Atamarie suchte ihren Drachen nicht.
    Und sie ritt auch nicht nach Loudens Gully.

DIE RÜCKKEHR
DER STERNE
    Südinsel
Lawrence
    1904

KAPITEL 1
    Kevin Drury hatte sich in seinem Leben noch nie auch nur annähernd so geschämt wie an jenem Abend, als Roberta Fence in sein Schäferstündchen mit Juliet platzte. Ausgerechnet Roberta, das Mädchen, das zeitlebens für ihn geschwärmt hatte, das einen Helden in ihm gesehen und zu ihm aufgeschaut hatte. Er mochte sich gar nicht ausmalen, was sie jetzt von ihm dachte! Kevin hasste sich längst selbst für seinen Betrug an Doortje. Zumal es keinerlei Entschuldigungen mehr dafür gab, wenn es sie jemals gegeben hatte. Doortje taute zusehends auf, sie fand sich in der Welt zurecht, in der sie nun lebte, und sie schien bereit, Kevin zu lieben. Oder sich einzugestehen, dass sie ihn liebte. Tatsächlich war dieses verräterische Leuchten ja schon damals auf der Farm der VanStouts in ihren Augen gewesen, wenn sie Kevin ansah.
    Juliet dagegen … Kevin

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