Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
ihren Aufstieg zudem auf, da sie in ihrem Korsett und ihren eleganten Schuhen natürlich nicht leichtfüßig wandern konnte. Die anderen Frauen, die sich nur mit Tüchern und Schals gegen den Regen schützten, begannen langsam zu frieren. Doortje schien wundersamerweise gar nicht zu bemerken, dass ihr Wolltuch rutschte und der Regen ihr blondes Haar durchnässte. Sie hatte nur Augen für Kevin und strahlte von innen heraus.
Juliet schob sich an Kevin heran, während die Frauen miteinander plauderten.
»Wir müssen … reden«, flüsterte sie.
Kevin nickte. »Das müssen wir«, stimmte er zu. »Vielleicht findet sich ja im Dorf irgendeine Möglichkeit. Es wird schnell gehen, Juliet, ich will ein für alle Mal Schluss machen.«
Juliet lächelte.
Dann kam das Dorf in Sicht. Es war nur mit einem niedrigen Zaun eingefriedet, allerdings umgaben es Schafpferche. Auch die Ngai Tahu züchteten, und ihre Tiere standen Michaels qualitativ kaum nach.
»Auf der Südinsel wird weniger aufwendig gebaut alsauf der Nordinsel«, begann Matariki mit der Führung. »Das Land ist kälter und weniger fruchtbar, deshalb wanderten die Stämme oft, um anderswo zu jagen und zu fischen. Dafür ist es weniger bevölkert, die Leute kamen sich seltener in die Quere, es gab kaum kriegerische Auseinandersetzungen. Aber unser Stamm hier ist reich, auch durch die Viehzucht. Es gibt keinen Nahrungsmangel, man wandert höchstens mal zum Vergnügen oder zum Wissenserwerb, und dann nicht mit dem ganzen Stamm. Also ist der iwi sesshaft geworden und hat sehr schöne Häuser gebaut.«
Im Regen waren nur wenige Leute draußen, aber die Nachricht von Besuch sprach sich trotzdem schnell herum. Schon bald fanden sich die Frauen von den Dorfbewohnern umringt. Matariki, Atamarie und auch Kevin tauschten hongi mit dem halben Dorf. Nandé wurde bestaunt. Viele, besonders ältere Leute hatten nie eine Schwarze gesehen. Sie bewunderten Nandés Haut und lachten über Juliets Figur in ihrem Korsett.
»Was gefällt euch pakeha bloß an derart dünnen Frauen?«, fragte der Häuptling.
Kevin hob grinsend die Schultern. »Wir machen die Mode nicht. Das regeln die Damen unter sich. Aber glaub mir, ariki , es macht Spaß, so ein Paket abends auszupacken!«
Atamarie hatte nur Augen für einen sanftäugigen, schlanken jungen Mann, der von einer Horde Kinder bedrängt wurde.
»Komm, Rawiri! Die sind doch langweilig, die pakeha -Frauen. Und die Drachen müssen fertig werden. Sonst kommt Matariki, und wir haben keine Grüße für die Geister!«
Rawiri und Atamarie lächelten einander an.
»Das würden die Geister übel nehmen«, bemerkte Atamarie. »Und dann stellen sie uns womöglich Hecken in den Weg.«
Rawiri grinste. »Wir stimmen sie also besser freundlich. Aber keine Sorge, die manu werden fertig. Zumal wir jetzt jaHilfe haben. Oder nicht?« Er warf Atamarie einen fragenden Blick zu.
Sie nickte.
»Du bist auch tohunga für manu? «, fragte ein kleines Mädchen skeptisch.
Rawiri legte den Finger auf den Mund. »Noch viel mehr«, flüsterte er, als verrate er ein Geheimnis. »Atamarie kann fliegen. Aber jetzt kommt, machen wir weiter mit den Drachen. Kommst du, Atamarie?«
Atamarie ging auf ihn zu, sah zu ihm auf und legte ihre Nase und ihre Stirn an sein Gesicht, als er sich zu ihr herabbeugte. Dann öffnete sie die Lippen.
Rawiri bewies, dass er auch den Kuss nach Art der pakeha beherrschte.
KAPITEL 2
Sobald es ihr möglich war, nutzte Juliet die Gelegenheit, Kevin in eins der jetzt verwaisten Schlaf- und Versammlungshäuser zu ziehen. Der Regen hatte aufgehört, und die Dörfler gingen draußen ihren Beschäftigungen nach. Die meisten Männer machten sich auf zu Jagd und Fischfang, für die anstehenden Festlichkeiten wurde noch Fleisch benötigt. Matariki, Doortje und Nandé wurden von den Frauen mit Beschlag belegt. Haikina und die anderen wollten von Parihaka hören – und die Ältesten bestürmten Nandé mit Fragen zu ihrer Heimat.
Kevin schaute sich um, ob die Luft rein war, bevor er Juliet in das mit Schnitzereien reich verzierte Haus folgte. An den Wänden standen mannsgroße Götterfiguren – deren Männlichkeit sehr offensichtlich war. Juliet hatte dafür jedoch keinen Blick.
»Ach, es ist gut, endlich allein zu sein!«, seufzte sie. »Die Enge auf der Farm macht mich krank … Wir sollten auch die Wohnung in Dunedin aufgeben. Ein ordentliches Stadthaus, Kevin … mit Dienstbotenräumen im Souterrain und Gästezimmern …«
Juliet
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