Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
nicht ab. Andere Studenten waren weniger zurückhaltend. Aufgefordert von den freizügigen Maori-Mädchen, die sich nach dem Tanz zu ihnen gesellten, verschwanden sie mit Atamaries Freundinnen in den Feldern oder Hügeln rund um Parihaka.
Am Morgen zog dies eine scharfe Rüge des Professors nach sich, obwohl es im Dorf selbst offensichtlich niemanden störte. »Es geht nicht, dass Sie die Gastfreundschaft dieser Leute derart missbrauchen!«, schimpfte Dobbins. »Und überhaupt sind wir nicht zum Vergnügen hier! Es ist neun Uhr, meine Herren, und Sie kommen gerade erst aus den Federn! Um diese Zeit wollte ich schon halb auf dem Mount Taranaki sein!«
»Aber sie waren doch gar nicht in den Federn, sondern in den Feldern«, kicherte Atamarie. »Das nennt man Feldforschung.«
Sie war aufgekratzt, nachdem sie während des ganzen Frühstücks mit den Mädchen zusammengesessen und auf Maori gründlich geklatscht hatte. Danach wusste sie mehr über die intimsten Geheimnisse ihrer Kommilitonen als wahrscheinlich deren Mütter, und überlegte, als sie auf ihr Pferd stieg, wie sichdiese Kenntnisse gegen ihren aufgeblasenen Arbeitspartner Porter verwenden ließen. Dann musste sie sich jedoch auf das Tier und die Wege konzentrieren. Diesmal ging es weiter hinauf, durch den Gürtel des Regenwaldes über tussockbewachsene Ebenen, die dann alpiner Vegetation wichen. Die Pferde mussten hier ganz schön klettern, und Atamarie war froh, dass ihre Mutter ihr eine kräftige kleine Cobstute geliehen hatte, Matarikis eigenes Pferd. Atamarie selbst war keine so passionierte Reiterin wie Matariki, aber sie kam gern rasch vorwärts, und ein Leihpferd wurde am Berg schnell müde.
Auch Porter schimpfte über seine Stute, die über keine besonders gute Kondition verfügte, versuchte aber nichtsdestotrotz, sie auf jeden Hügel hinaufzutreiben, den Atamarie viel schneller zu Fuß erklettert hätte, um von dort aus Vermessungen vorzunehmen.
»Wer weiß, was hier im Gebüsch sitzt«, meinte er übel gelaunt, als sie ihm das vorhielt.
Atamarie kicherte. »Also in dem Gebüsch, in dem Sie heute Nacht mit Pai waren, haben Sie sich nicht so gefürchtet. Und da wird es viel gefährlicher gewesen sein. Die meisten Tiere hier sind nämlich nachtaktiv. Haben Sie eigentlich mehr Angst vor Vögeln oder vor Schnecken?«
Porter sah schließlich ein, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als zu klettern, die Landschaft wurde jetzt auch sehr viel schroffer. Atamarie betrachtete fasziniert Fels- und Lavaformationen, die in ihren Karten als Humphries Castle, Lion Rock oder Warwick Castle verzeichnet waren. Zum Teil boten sie wunderschöne Ausblicke aufs Meer oder auf die Flusslandschaft weiter unten.
»Die Götter sind uns wohlgesinnt«, alberte Atamarie herum, als sie Richard und dem Professor erste Ergebnisse brachte. »So ein klares Wetter um diese Jahreszeit!«
»Aber es ist kalt«, nörgelte Porter.
Der Professor sah ihn strafend an. »Wir sind auf einem Berg, Mr. McDougal«, bemerkte er. »Da ist es meistens kalt, Sie sollten sich mit Klimazonen noch einmal ausdrücklich befassen, ich werde in Ihrer Abschlussprüfung darauf zurückkommen. Jetzt machen Sie erst mal weiter, aber vorsichtig, die Hänge sind ganz schön steil, und es gibt Abgründe, wie unser Führer mich warnte. Nehmen Sie ihn im Zweifelsfall mit – oder nein, er ist schon mit einer anderen Gruppe unterwegs. Also aufpassen.«
Richard Pearse lächelte Atamarie aufmunternd zu. »Sie fallen schon nirgendwo hinunter, Miss Atamarie«, meinte er gelassen. »So elegant, wie Sie sich bewegen …«
Atamarie strahlte über das Kompliment, während der Professor die Stirn runzelte. Er schien zu überlegen, ob er den Flirtversuch tadeln sollte, überlegte es sich dann aber anders.
»Sie könnten eigentlich auch ein bisschen klettern, Richard«, forderte er seinen Lieblingsstudenten auf. »Machen Sie sich mal selbst ein Bild von der Landschaft, nicht dass da Fehler passieren, und wir tragen die brav in unsere Karten ein. Ich würde ja auch gehen, aber Bergsteigen ist für mich nun wirklich zu anstrengend. Während Sie … vielleicht begleiten Sie Miss Turei ja sogar ganz gern …«
Atamarie lächelte glücklich, während Richard leicht errötete. Dann fasste er sich aber und antwortete höflich wie gewohnt.
»Es ist doch wohl für jeden ein Vergnügen, Miss Atamarie zu begleiten – wohin auch immer. Also, Porter, schlagen wir uns um das Privileg, ihr vielleicht bei irgendeinem Aufstieg
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