Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
freikam – die Brandung konnte ihn gegen die Klippen schleudern. Gut, dass er wenigstens in Richtung Bucht abgehoben hatte, nicht aufs offene Meer. Die Felsen rundum würden den Wellengang dämpfen. Und vielleicht konnte man dem Mann helfen, indem man ihm ein Seil zuwarf oder etwas Ähnliches.
Die drei Studenten waren auf halber Höhe des Berges, als der trudelnde Drachen wirklich ins Wasser eintauchte. Relativ langsam, wie Atamarie vorausberechnet hatte. Der birdman , wie man diese vogelähnliche Drachenform auf Englisch nannte, tauchte mit dem Arm zuerst ein, wobei der Flügel abbrach. Atamarie fragte sich, aus welchem Material der Drachen hergestellt war. Der Konstrukteur hatte kaum die traditionelle Aute-Rinde verwendet. Aber dann konnte sie nur noch hilflos zusehen, wie er um sein Leben kämpfte, während sie selbst und die beiden anderen den Berg herunterrannten und über den felsigen Strand hetzten. Das Wegbrechen des Flügels hatte seinen linken Arm befreit, und nun versuchte er verzweifelt, die Seile zu lösen, die ihn an den Drachen fesselten. Der schwamm zumindest oben, das Material musste natürlich leicht sein, aber die Brandung spielte unbarmherzig damit und warf das große, sperrige Ding hin und her. Der darangebundene Mann tauchte dabei mal unter Wasser, mal kam er wieder in Sicht. Das sollte eigentlich reichen, um zwischendurch Luft zu holen, aber Atamarie sah nun nicht mehr, ob er sich rührte.
Richard befreite sich rasch von seiner Jacke, als die drei das Ufer erreichten. Keine direkte Steilküste, aber doch auch kein sanft abfallender Strand, mehr oder weniger hohe Felsen bildeten die Uferlinie.
»Ich kann gut schwimmen!«, keuchte Richard. »Ich hol ihn her. Aber dann müsst ihr uns helfen …«
Ohne das zu präzisieren sprang er von einem der Felsen ins Wasser, aber Atamarie verstand auch ohne Erklärung, worum es ging. Ins Wasser hineinzukommen war einfach, aber herauszukommen war fast unmöglich, ohne Verletzungen zu riskieren. Ein Rettungsschwimmer, der einen anderen zog, hatte überhaupt keine Chance. Atamarie beobachtete prüfend die Küste, während Richard sich dem Verunglückten mit kräftigen Schwimmstößen näherte. Porter schaute ihm nur interessiert nach.
»Wir brauchen Seile!«, rief Atamarie ihn aus seinen Gedanken. »Wir müssen was tun! Nun machen Sie schon!«
Porter trug einen Rucksack mit Bergsteigerausrüstung. Nichts für wirklich alpines Klettern, aber doch eine Notfallausrüstung, falls mal jemand stürzte und gerettet werden musste oder zwei verwegene Landvermesser sich gegenseitig bei einem Aufstieg sichern wollten.
Jetzt wühlte Atamarie sich durch die Seile und Haken und zerrte sie aus dem Rucksack. Richard hatte den Drachen inzwischen erreicht. Das wurde auch Zeit. Der darangebundene Mann hatte aufgehört, mit dem Arm zu rudern und zu kämpfen. Er schien bewusstlos.
»Pearse muss ihn losschneiden«, erkannte Porter. »Hoffentlich hat er ein Messer …«
Atamarie sah auf, aber sie war allenfalls flüchtig besorgt. Richard war ein Landkind, er würde kaum ohne Taschenmesser auf eine Campingtour gehen.
Und tatsächlich hing das Werkzeug in einer Ledertasche anRichards Gürtel. Trotz des Seegangs zog er es mit einer Handbewegung heraus und schnitt den Verunglückten in Windeseile frei.
Atamarie sah erleichtert, dass er rasch das Siegeszeichen in ihre Richtung machte. Der Mann schien also am Leben. Richard zog ihn Richtung Ufer.
Atamarie hatte sich inzwischen für eine Vorgehensweise entschieden. Sie wies auf eine Uferstelle ein Stück weiter, eine winzige Bucht.
»Wir lassen sie nicht gegen einen Felsen schwimmen, das wird nichts«, erklärte sie Porter resolut. »Wir spannen ein Seil, an dem sie sich festhalten und ans Ufer hangeln können. Hier, zwischen diesen zwei Felsen, schlagen Sie hier einen Haken ein und da! Na los, Porter, sie sind in ein paar Minuten hier! Wenn ich es selbst mache, brauche ich Stunden!« Porter guckte skeptisch, aber Atamarie drückte ihm entschlossen den Hammer in die Hand. Und zum Glück war er, allem Phlegma zum Trotz, außerordentlich kräftig. Er fixierte den ersten Haken mit zwei Hammerschlägen an einem der Felsen. Atamarie brüllte ihn an, als er über den Platz für den zweiten diskutieren wollte. »Quatschen Sie nicht, hämmern Sie! Und wenn Sie sich auf den Felsvorsprung da stellen, fallen Sie dabei auch nicht ins Wasser!« Atamarie war kurz davor, aus der Haut zu fahren, als er langsam und bedächtig einen Fuß auf
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