Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
einem ironischen Grinsen. Auch er musste wissen, dass es bei diesem Krieg eher um Bodenschätze ging als um Menschenrechte. »Hier jedenfalls zwingen wir niemanden unters Joch, wir lassen die Leute machen, was sie wollen. Die meisten leben im Inland und betreiben ihre eigene Landwirtschaft und Viehzucht.«
Kevin nickte und gesellte sich jetzt zu Vincent, der das Abladen der Pferde überwachte. Der junge Tierarzt war hochzufrieden mit dem Zustand seiner Schützlinge und schäkerte mit seiner eigenen Stute, Colleen. Kevin führte seinen Schimmel Silver selbst vom Schiff.
»Wann geht es denn wohl weiter?«, fragte er und war angenehm überrascht, dass den Truppen ein paar Tage zur Eingewöhnung gegeben werden sollten.
»Aus dem Desaster mit dem ersten Kontingent, vom Schiff praktisch gleich in die Schlacht, haben sie wohl gelernt«, meinte Sergeant Willis zufrieden und setzte für den nächsten Tag ein Exerzieren mit Pferden an.
Vincent widersprach jedoch. Für die Tiere sei es besser, sich nach der Schiffsreise langsam und ohne Reiter die Beine zu vertreten, erklärte er. Das könnten sie auch in den großen Paddocks rund um die Kaserne.
»Hier nennt man die Krals«, erklärte Kevins neuer FreundColonel Ribbons, offensichtlich ein Einheimischer. Wie er später erzählte, kam er aus Kapstadt. »Wie auch die Dörfer der Eingeborenen …«
»Das lässt ja tief blicken über den Stellenwert der Schwarzen in diesem Land«, stichelte Vincent. »Nicht auszudenken, was unsere Maori uns erzählen würden, wenn wir auf die Idee kämen, unsere Viehpferche marae zu nennen.«
Ribbons zuckte die Schultern. »Man lebt hier eben nicht sehr friedlich zusammen«, bemerkte er. »An sich streitet jeder mit jedem, zumindest global. Rein persönlich bestehen manchmal sehr enge Beziehungen zwischen schwarzen und weißen Familien. Die meisten Burenregimenter haben schwarze Fährtenleser – und die sind hervorragend und völlig loyal! Ebenso wie die auf englischer Seite. Offiziell gibt es zwar keine schwarzen Hilfstruppen, aber manche Offiziere können ja keinen Schritt tun ohne ihre ›Boys‹. In der Offiziersmesse bedienen auch ein paar. Wie wär’s, wenn ich Sie da jetzt hinführe? Wir trinken ein Bier auf die glückliche Überfahrt – und wenn Sie morgen oder übermorgen Lust haben und Ihre Pferde wieder fit sind, dann nehme ich Sie auch gern mal mit hinaus ins Veld. In der Umgebung hier gibt’s viele interessante Tiere …«
Die ersten Tage in Südafrika gestalteten sich für Kevin und Vincent tatsächlich eher wie ein Urlaub denn wie ein Krieg. Natürlich stellten Kevin und zwei weitere Ärzte ihre Feldlazarette zusammen, und Vincent versorgte die Pferde. Er war zurzeit der einzige Tierarzt in ganz East London, seine Kollegen waren mit den Kampftruppen unterwegs. Insofern konsultierten ihn auch die Farmer der Umgebung, und er berichtete stolz von Kälbergeburten und geretteten Kolikpferden.
»Nur die Buren haben kein Interesse«, meinte er fast etwas traurig, als er am dritten Tag ihres Aufenthaltes tatsächlich mit Colonel Ribbons und Kevin in den Busch ritt.
»Die Buren?«, fragte Kevin. »Ich dachte, die gäb’s hier gar nicht.«
Ribbons nickte. »Kaum. Nur ein paar, wir nennen sie Kap-Buren, weil die meisten rund um Kapstadt leben. Sie führen mit den Engländern eine friedliche Koexistenz, in Ausnahmefällen heiratet man auch mal untereinander …«
Kevin musste lachen. »In Ausnahmefällen?«
Ribbons blieb jedoch ernst. »Ein Burenmädchen, das in eine englische Familie einheiratet, ist ein Unding für diese Leute, fast so schlimm, als nähme es sich einen schwarzen Liebhaber. Wobei die Väter gar nicht besonders auf ihre Töchter aufpassen müssen, die halten sich ganz von allein zurück, als wären wir Engländer der Teufel persönlich. Eher verliebt sich mal ein aufmüpfiger junger Mann in ein englisches Mädchen. Aber auch das gibt Schwierigkeiten. Mein Schwager ist Bure, ein Weinbauer, deshalb erlebe ich das in der eigenen Familie. Wir haben überhaupt nichts gegen Pieter, aber seit Joan mit ihm verheiratet ist, sehen wir sie kaum noch. Er selbst kommt fast nie vorbei, ich schätze, seine Familie macht ihm die Hölle heiß, wenn er seine Schwiegereltern besucht. In seinem Dorf akzeptieren sie Joan inzwischen, solange sie ja kein Wort Englisch spricht. Aber in der Kirche zum Beispiel wird Pieter gemieden. Er würde so gern irgendein Amt übernehmen – Kirche ist sehr wichtig für Buren –, aber da
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