Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Am Kap die Engländer, im Inland die Schwarzen … Also bildeten sie eine Wagenburg und schlugen um sich.«
»Mit größtem Erfolg, habe ich gehört«, warf Kevin ein. »Über dreitausend tote Schwarze an einem einzigen Tag …«
»Vorher auch mal ein paar Hundert Buren, die man in einen Hinterhalt gelockt hatte. Da waren beide Seiten nicht zimperlich. Man darf sich die Zulu auch nicht wie ein naives Völkchen mit ein paar verstreuten Dörfern hier und da vorstellen. Das war ein Königreich mit gut funktionierendem Gemeinwesen und überaus schlagkräftiger Armee. Genauso todesmutig wie die Trecker. Ihr Pech war, dass die Buren Feuerwaffen hatten, und sie nicht. Wird doch bei Ihnen nicht anders gewesen sein, in Ihrem Neuseeland. Sie haben auch Neger, oder?«
Kevin schüttelte den Kopf. »Unsere Maori sind Polynesier. Und im Großen und Ganzen friedlich. Sie hatten nichts gegen die weißen Einwanderer. Zumindest zunächst nicht. Später hat es natürlich Konflikte gegeben …«
Cornelis grinste. »Ein schönes Wort …«
»Ein wahres Wort«, verteidigte Kevin sein Land. »Es gab Schießereien, es gab Tote auf beiden Seiten – aber niemals in diesem Ausmaß! Das waren regionale Probleme. Den Maori ist sicher oft Unrecht geschehen, aber es wird jetzt schon versucht, das gerichtlich aufzuarbeiten. Ich will nicht sagen, dass alles perfekt ist. Aber die Maori sitzen in unserem Parlament, sie haben das Wahlrecht, natürlich besitzen sie Land … Ehen zwischen Maori und pakeha sind nicht gerade die Regel, aber auch keine so gewaltige Ausnahme …«
»Ehen?«, fragte Cornelis verblüfft. »Zwischen Schwarz und Weiß?«
Kevin nickte. »Vor allem gab es niemals Sklaverei. Wie Sie hier dagegen mit den Schwarzen umgehen …«
Cornelis hob eine Augenbraue. »Vielleicht sind Ihre Maori ja zivilisierter. Unsere Schwarzen sind wie Kinder, naiv. Sie brauchen Führung. Und sie sind uns treu ergeben. Allein mit unserem Kommando zogen vierzig Kaffern …«
Kevin rieb sich die Stirn. »Kinder?«, fragte er langsam. »Und vorher hatten sie ein Königreich, ein Land, Städte, eine Armee … Wird ein Mensch erst zum Erwachsenen, wenn er eine Muskete besitzt?«
Cornelis Pienaar war deutlich gebildeter und aufgeklärter als die anderen Buren, die Kevin bislang kennengelernt hatte. In Bezug auf die Behandlung der Schwarzen war mit ihm aber ebenso wenig zu reden wie mit Doortje und ihrer Familie. Allen Widersprüchen zum Trotz war er von der Minderwertigkeit der dunkelhäutigen Menschen überzeugt und traute den Schwarzen auch nicht wirklich. Kevin wies Cornelis immer wieder darauf hin, dass dies ein Widerspruch in sich sei, schließlich werde er ja sonst nicht müde, die Ergebenheit der schwarzen Diener zu betonen. Nach ein paar Unterhaltungenmit Pienaar war Kevin davon überzeugt, dass die Buren ihre dunkelhäutigen Arbeiter fürchteten.
»Das ist kein Mut, was die antreibt, sondern eine Art Angstbeißerei«, erklärte er seinem Freund Vincent.
Der Tierarzt war am Tag nach der Kapitulation von Wepener mit drei verletzten Pferden bei Kevin erschienen und hatte um Hilfe gebeten.
»Bei denen stecken Kugeln in großen Muskeln, Kevin. Man muss sie herausschneiden. Aber allein krieg ich es nicht hin, sie halten ja auch nicht ruhig. Kannst du … könntest du versuchen …«
Kevin wollte die »Amtshilfe« zunächst entschieden ablehnen, aber dann sah er das abgehärmte Gesicht des jungen Tierarztes und entschied sich anders. Vincent wirkte nach den drei Tagen im Feld um Jahre gealtert. Sein Anblick erinnerte Kevin an Dr. Tracy nach dem ersten Tag im Sanitätszelt. Irgendetwas schien in Vincent gestorben zu sein, sein freundlicher, vertrauensvoller Gesichtsausdruck war Verwirrung und Verständnislosigkeit gewichen.
»Es war entsetzlich«, erzählte Vincent, als Kevin erst mal eine Flasche Whiskey öffnete. »Sie … sie … bisher hatte ich immer gedacht, Menschen führten Krieg … na ja, gegen Menschen. Natürlich wird mal ein Pferd getroffen, aber … aber man schießt doch auf die Reiter … Während diese Buren … man möchte doch meinen, sie liebten Pferde. Sie reiten alle … sie haben diese Ponys fabelhaft im Griff. Aber unsere Pferde … sie scheinen sie regelrecht zu hassen. Sie schießen auf sie, sie stechen auf sie ein … fünf von meinen Pferden sind tot, Kevin …« Kevin nahm an, dass er von den Pferden des Neuseelandkontingentes sprach. Vincents eigene Stute stand angebunden am Zaun und schien
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