Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
gänzlich gesund zu sein. »Und so viele von den anderen. Ganz sinnlos. Diese Leute sind … sie sind …«
Kevin verzichtete darauf, ihm von den ebenso sinnlosen Verlusten an Menschenleben zu berichten. Vincent hätte vermutlich eingewandt, dass die Soldaten schließlich freiwillig kämpften. Bevor er sich auf solche Diskussionen einließ, teilte er seinem Freund lieber seine Überlegungen zu den Buren mit.
»Angstbeißer. Wie manche Hunde.«
Vincent lächelte schwach. »Das mag ja sogar sein. Aber was hilft es uns? Wir können sie nicht alle erschießen. Und ehrlich gesagt, mir steht der Sinn zurzeit nicht nach ›vertrauensbildenden Maßnahmen‹.«
Kevin schüttelte den Kopf. Er dachte an Doortje, die er sich viel lieber als verängstigtes kleines Tier vorstellte, das aus reiner Verzweiflung um sich biss, denn als gierig, boshaft und angriffslustig. Aber das konnte er seinem Freund unmöglich erzählen.
»Es hilft uns gar nichts«, meinte er nur. »Aber es macht mir Angst. Für diese Leute wird doch der Krieg nie zu Ende sein. Aber komm, jetzt operieren wir erst mal deine Pferde. Obgleich ich nicht weiß, was Barrister dazu sagen wird …«
Zwei der drei Pferde überlebten die unkonventionelle Behandlung. Vincent erschien ein wenig glücklicher, als er die Tiere zwei Tage später besuchte und Kevin auch gleich über die neuen Einsätze des Neuseelandkontingents berichtete.
»Wir bleiben nicht zusammen. Die Neuseeländer werden Major Robin unterstellt, auch ein Teil der Australier. Das neue Regiment hat jetzt einen Namen, Rough Riders. Die Engländer waren wohl ganz begeistert von unserer Kavallerie.«
Kavallerie konnte man die zusammengewürfelte Truppe berittener Neuseeländer, die mit Kevin nach Südafrika gekommen waren, natürlich auch nennen. Größtenteils waren es junge Männer aus den Plains, auf dem Pferd groß geworden und geübte Schützen. Exerzieren in Reih und Glied lag ihnen dagegen nicht, und Befehle befolgten sie auch eher ungern.Man musste anerkennen, dass die britische Führung das sofort erkannt hatte und eine Chance darin sah, kein Defizit. Im Grunde waren die ungeschlachten Kiwis, wie man die Neuseeländer nannte, den Buren gar nicht unähnlich, es würde ihnen sehr viel leichterfallen, deren Strategie und Denkweise zu begreifen, als britischen Berufssoldaten. Insofern wurden die Rough Riders auch keiner Entsatz- oder Angriffsarmee zugeteilt, sondern zur Bewachung der Eisenbahn in der Provinz Transvaal abgestellt. Ihre Aufgabe war der Kampf gegen marodierende Burenkommandos, die Kontrolle einsamer Farmen, die oft als Unterschlupf für burische Kämpfer dienten, und die allgemeine Befriedung ihres Gebietes.
»Halten Sie uns den Rücken frei!«, lautete der Befehl des Field Marshalls Lord Roberts, der inzwischen gemeinsam mit General Kitchener das Oberkommando übernommen hatte.
Vincent war den Rough Riders als Tierarzt zugeteilt, Kevin Drury und Preston Tracy als Ärzte. Sie führten ihr improvisiertes Lazarett auf zwei Packpferden mit sich. Beide trennten sich ungern von Barrister, Willcox und McAllister, die mit der Truppe Richtung Bloemfontein ritten.
Barrister bescheinigte den Männern hervorragende Arbeit. »Sie haben beide bewiesen, dass Sie Blut sehen können. Jetzt kommen Sie auch allein zurecht!«
»Und vielleicht sieht man sich auch bald wieder«, meinte McAllister unbekümmert. »Der Krieg soll zwar demnächst vorbei sein, aber man weiß ja nie. Und womöglich bleiben Sie sogar hier, Kevin. Wäre doch romantisch, wenn Sie nach dem Sieg zu Ihrer Doortje zurückkehren würden …«
Kevin tat, als lache er darüber, aber tatsächlich war ihm eher zum Heulen zumute, wenn er an Doortje dachte. Sie hatte ihn auch in den letzten Tagen gemieden, und so langsam fand er sich damit ab, dass sie sich nichts aus ihm machte. Ihm lag immer noch Cornelis’ Antwort auf seine Frage nach Doortjes Gefühlen für ihren Verlobten im Magen: »Das spielt keine Rolle, Doktor. Doortje und Martinus – die sind von einem Stamm, von einem Blut. Nicht buchstäblich natürlich, aber sie gleichen sich in ihren Ansichten, ihrem Glauben, ihren Wünschen, ihren Träumen. Ich würde das nicht ›Liebe‹ nennen, aber daran denken wohl auch weder Doortje noch Martinus. Sie passen vortrefflich zusammen, sie werden wunderbare Kinder haben …«
Cornelis’ Blick hatte etwas Sehnsuchtsvolles bekommen. Kevin tat der junge Mann fast leid. Cornelis war anders, und er stand zu seinen Überzeugungen.
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