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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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mechanischen Spielzeuge, die eine Ewigkeit weiterwackelten, wenn man sie schubste, stand auf einem schlichten Kaffeetisch. An der Wand hing ein großes gerahmtes Foto des Hafens von Sydney mit der Oper. Ein schwarzweißes Batikporträt eines Swahilimädchens füllte die Hälfte der Wand gegenüber.
    Jack zeigte auf die Balkontür. »Möchten Sie die Nachtluft genießen?«
    Unzählige Sterne bildeten eine diamantglitzernde Blase über Nairobi. Malaika war begeistert.
    »Machen Sie es sich bequem.« Er zeigte auf ein Rohrsofa auf dem Balkon. »Ich setze den Kaffee auf. Oder würden Sie ein Glas Wein vorziehen?«
    Das Sofa mit seinen bunten Kissen war in dem Licht, das aus dem Wohnzimmer fiel, kaum zu sehen.
    »Warten Sie, ich habe es mir anders überlegt«, stotterte sie. »Ich habe schon zu viel von Ihrer Zeit verschwendet, also sollte ich … ich nehme einfach die Papiere und lasse sie … ich kann vom Tor aus ein Taxi nehmen.«
    Er stand mit dem Rücken zu den Stadtlichtern. »Selbstverständlich. Ich hole die Papiere.«
    Sie versuchte, einen Blick auf sein Profil zu werfen, als er an ihr vorbeiging. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos, und sie fragte sich, ob sie ihn gekränkt hatte.
    »Ich bin sofort wieder da«, sagte er.
    »Jack?«
    »Hm?« Er blieb in der Balkontür stehen.
    Malaika war nicht sicher, was sie hatte sagen wollen. »Danke«, murmelte sie schließlich.
    Er nickte und ging.
    Sie ließ sich auf das Sofa fallen und schlug gereizt auf die Kissen. Was war nur mit ihr los? Es war ein wunderbarer Abend gewesen; warum konnte sie ihn nicht einfach genießen? Der Vorfall mit ihrem so genannten Onkel kurz nach ihrer Ankunft in Nairobi lag beinahe zehn Jahre zurück, und im Lauf der Zeit war sie über das Gefühl hinweggekommen, dass jeder Mann, der sie auch nur ansah, ihr etwas antun wollte. Sie konnte nicht alles auf die Vergangenheit schieben.
    Vielleicht hatte James Onditis Verhalten ihr gegenüber es wieder schlimmer gemacht? Sie versuchte, Onditi zu vergessen.
    Nairobis Straßenlichter zogen sich bis zum trüben Horizont hin. Aber der Gedanke an Onditi wollte nicht verschwinden. Zunächst hatte sie einfach versucht, seine Kommentare als ungeschickte Flirtversuche abzutun und zu ignorieren. Aber als sie sich weiterhin geweigert hatte, sein Spiel mitzumachen, war er immer bedrohlicher geworden und hatte schließlich begonnen, sie körperlich einzuschüchtern, bis hin zu der Szene vor dem Carnivore, wo er sie fest am Arm gepackt hatte. In diesem Augenblick hatte sich Jack eingemischt. Die Sache beunruhigte sie, weil es ihre Arbeit ernsthaft beeinträchtigte. Sie war seit der zufälligen Begegnung mit Onditi im Exotica-Café letzte Woche nicht wieder im Amt für regionale Entwicklung gewesen. Sie konnte ihm einfach nicht gegenübertreten. Nicht jetzt.
    Wenn sie nur sein könnte wie Jack! Er schien von allen Menschen, die sie kannte, am besten imstande zu sein, mit Onditi fertig zu werden. Er wirkte ruhig, aber hinter dieser kühlen Fassade war er stets wachsam. Er vermittelte den Eindruck, als wäre er stets darauf vorbereitet, die Kontrolle über eine Situation zu übernehmen. Das gefiel ihr.
    War es der Wein, oder hatte sie heute Abend wirklich etwas Wichtiges, etwas anderes an ihm entdeckt? Vielleicht war es übereilt gewesen, ihn an diesem Abend im Carnivore in die gleiche Kategorie einzuordnen wie Onditi. Jetzt war sie nicht mehr so sicher. Wer war er? Und was war ihr sonst noch an ihm entgangen? Sandras Frage über
Mzungu-
Männer als Liebhaber schoss ihr durch den Kopf. Wie behandelten diese weißen Männer ihre Frauen? Als Partnerinnen oder als Leibeigene? Gab einem die Art, wie ein Mann tanzte, einen Hinweis darauf? Die Erinnerung daran, wie er sie im Dunkeln an der Wohnungstür gestreift hatte, kehrte plötzlich zurück.
    »Ich hab sie.«
    Malaika sprang eher auf, als dass sie aufstand. Bei ihrer hektischen Bewegung stieß sie ihm die Papiere aus der Hand. Sie fielen auf den Balkonboden.
    »O Scheiße! Oh, tut mir Leid!« Da war es wieder. Sie hatte zweimal am gleichen Abend solche Wörter benutzt. Was würde er von ihr denken? Sie ließ sich auf alle viere nieder, bevor er es konnte, und schob die Papiere zu einem unordentlichen Haufen zusammen. Sie hatte das Gefühl, jegliche Würde verloren zu haben, als sie wie eine Küchenschabe auf dem Boden herumkroch, und richtete sich wieder auf. Ihr Kopf krachte gegen etwas Festes. Es knirschte, als hätte sie eine hängende Topfpflanze getroffen. Oder

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