Die Tränen der Massai
der Kamikazefahrer.« Er sprach leise, denn er hatte wegen seines Ausbruchs ein schlechtes Gewissen. »Aber ich kann für den Abend im Intercontinental den Landrover ausleihen.«
Sie hatte den Blick immer noch auf den Tisch gerichtet und zog mit dem Finger kleine Kreise im verschütteten Zucker. »Sie haben Recht, es könnte ein netter Abend werden. Und es wäre wirklich angenehm, wenn Sie mich abholen würden.« Sie blickte auf. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Die Malachitspange glänzte in ihren Zöpfen.
Malaika betrachtete sich in dem großen Spiegel. Weiß war eindeutig ihre Farbe. Sie drehte sich um und schaute über die Schulter. Ihr BH zeichnete sich nicht unter dem Kleid ab, ebenso wenig wie der Gummizug der passenden, weit geschnittenen Höschen. Als sie sie zum ersten Mal getragen hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, überhaupt keine Unterwäsche anzuhaben. Es war aufregend gewesen. Sie drehte sich um und schaute über die andere Schulter. Ihr gefiel, wie der Stoff des Kleides sich an ihren Po schmiegte.
»Sandra, was meinst du? Schwarze Schuhe?«
Ihre Mitbewohnerin blickte von der Zeitschrift auf. Sie trug immer noch ihre Kenyan-Airways-Uniform. »Trägst du Strümpfe?«
»Nein. Warum? Schwarze Haut, schwarze Strümpfe.«
»Das Intercontinental, oder?«
»Ja. Es heißt, es geht dort ziemlich elegant zu.«
»Dann schwarze Schuhe. Wie wirst du hinkommen?«
»Jack Morgan holt mich ab.«
»Wer ist das?«
»Jemand von den Vereinten Nationen. Wir arbeiten zusammen an einem Projekt in Nyanza.«
»Und, wie ist es?«
»Wie ist was?«
»Du weißt schon, wenn man es mit einem Weißen macht.«
»Woher sollte ich das wissen? Ehrlich, Sandy!«
»Ich frage ja nur. Interessiert er sich nicht für Sex?«
»Keine Ahnung.« Sie schüttelte den Kopf, bevor sie die Ohrringe befestigte.
Sandra zuckte die Achseln und griff nach einer anderen Zeitschrift. »Wirst du immer noch von diesem Kerl im Amt für Regionale Entwicklung belästigt?«
Malaika seufzte. »Nein. Im Augenblick nicht. Gott sei Dank.«
Sandra blätterte die Zeitschrift durch. »Ich habe gehört, sie wären nicht so schlecht, wie alle behaupten.«
»Wer?«
»Wazungu.
Weiße. Du weißt schon. Im Bett.«
Malaika beschloss, sie zu ignorieren, und konzentrierte sich stattdessen darauf, die Schulterträger höher zu ziehen, damit ihre Brüste und die Spitzenkante des importierten BH s besser bedeckt waren. Aber sie hatte nicht die Zeit, die Träger kürzer zu nähen, also ließ sie schließlich alles, wie es war. Zum Teufel damit. An diesem Abend würde sie ein Dekolleté haben.
Kurz nach acht klopfte es leise an ihre Wohnungstür. Jack trug eine schwarze Hose, ein graues Sakko und ein dunkelgraues Seidenhemd. Er blieb in der Tür stehen, bis Malaika ihn lächelnd hereinbat. »Jack«, sagte sie. »Das hier ist Sandra. Sandra – Jack.«
Sandra sah ihn an und reichte ihm die Hand, ohne aufzustehen. »Jack. Schön, Sie kennen zu lernen.«
»Ja, ich freue mich ebenfalls.« Er ergriff ihre Hand.
»Sandra ist meine Mitbewohnerin«, sagte Malaika und fragte sich, wieso sie sich so häufig gezwungen fühlte, Jack auch die offensichtlichsten Dinge zu erklären.
»Sie beide könnten Verwandte sein«, sagte Jack und schaute von einer zur anderen.
Sandra lachte.
»Was ist daran so komisch?« Jack schob die Hände in die Taschen, und sein Lächeln verblasste ein wenig.
»Jack«, sagte Sandra. »Ich bin eine Kikuyu. Malaika ist Massai. Unsere Stämme haben einander eine Ewigkeit bekämpft. Diese Wohnung ist vielleicht die einzige Friedenszone im gesamten Land.«
»Sandra und ich wohnen hier seit Jahren zusammen«, fügte Malaika hinzu.
»Wir wissen alles über die andere«, sagte Sandra. »Und wir haben keine Geheimnisse voreinander, nicht wahr?«
»Also gut. Jack und ich müssen gehen, Sandy.« Malaika mied den Blick ihrer Mitbewohnerin.
»Ich gehe auch bald. Ein paar von uns Mädchen wollen zu Bubbles.«
Jack sagte: »Es war nett, Sie kennen gelernt zu haben, Sandra. Auf Wiedersehen.«
»Kwaheri«,
erwiderte Sandra, dann fuhr sie für Malaika auf Swahili fort: »Und du kannst mir ja sagen, wie er im Bett ist, wenn wir uns morgen sehen.
Si ndio?«
Der Kellner führte sie zu einem Tisch auf der anderen Seite der Tanzfläche. Jack stellte Malaika Bear vor, und auf seine Einladung setzte sich Malaika neben Bear, Jack gegenüber. Bear stellte die anderen am Tisch vor, ein schwarzes Paar und ein weißes.
»Nun, das wird zu einigem
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