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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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alles angefangen?«
    »Sie sagen, es hat nach dem Krieg zwischen Tansania und Uganda begonnen. Etwa um diese Zeit bin ich nach Nairobi gekommen.« Sie erzählte ihnen die Geschichte, oder genauer gesagt, die Legende der afrikanischen Aids-Epidemie. Wie die Soldaten 1979 nach dem Sieg über Idi Amins Uganda wie Helden nach Hause marschiert waren. Und wie die Frauen ihnen ein großes Willkommen bereitet hatten. Sie wussten damals nicht, niemand wusste es, was die Männer in sich trugen. Es sollte fünf Jahre dauern, bevor sich die ersten Symptome zeigten, und zehn Jahre, bis sie verstanden wurden. Aber dann war es schon zu spät. Malaika berichtete, dass die Infektionsrate in Grenzstädten, an den Langstreckentransportstraßen wie Bukoba und Mwanza, bis zu sechzig Prozent betrug.
    »Werden die Leute informiert? Wird irgendetwas unternommen?«
    »Es gibt kein Geld für Gesundheit. Es gibt nie genug Geld.«
    »Aber was ist mit Bildung? Das kann nicht so viel kosten.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Was ist mit Kondomen? Werden keine kostenlosen Kondome ausgegeben?«
    »Nein. Das funktioniert nicht. Ein afrikanischer Mann, der ein Kondom benutzt?«
    »Aber die Frauen … haben sie bei dieser Sache gar nichts mitzureden?«
    »Das ist für dich wahrscheinlich schwer zu verstehen, Jack.« Sie seufzte. »Aber eine afrikanische Frau kann das nicht tun. Ich weiß nicht, was es ist. Ich habe mit vielen Frauen darüber gesprochen, dass sie vorsichtig sein sollen, dass sie Kondome benutzen sollen. Sie nickten, dann gehen sie nach Hause, und nichts ändert sich. Ich versuche, sie dazu zu bringen, ihre Freunde und ihre Männer zum Test vorbeizubringen. Ohne Erfolg.«
    »Ich kann das nicht glauben«, sagte Jack. »Bei solch großer Ansteckungsgefahr … was geht in ihren Köpfen vor?«
    »Ich weiß es nicht, Jack.« Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht ist es nur Afrika.«
    »Es sind eher die afrikanischen Männer! Unglaublich! Nur weil sie keine Kondome –«
    Bear hatte lange Zeit geschwiegen. »Es ist hier anders, Jack. Es ist ein kulturelles Problem. Es hat mit Angst zu tun. Und mit Scham.«
    »Scham?«
    Bear griff nach der Zigarette auf dem Rauchertisch. »Ja.« Er inhalierte tief, lehnte den Kopf zurück und blies den Rauch an die Decke. Bear schien damit zufrieden zu sein, seine Bemerkung in der Luft hängen zu lassen wie den Rauch.
    »Wie meinst du das – Scham?«, fragte Jack noch einmal.
    »Du musst diese Sache wie etwas aus einem anderen Zeitalter verstehen. Denk an die Aussätzigen vor ein paar hundert Jahren, dann begreifst du es vielleicht. Eine Krankheit, so schrecklich, so grausam … wenn man sie bekommt, muss das einfach bedeuten, dass man sie verdient hat. Man muss ein wirklich schlechter Mensch gewesen sein.« Er goss sich noch ein wenig Port nach und reichte Jack und Malaika die Flasche. Sie schüttelten den Kopf und warteten darauf, dass er fortfuhr.
    »Vor ein paar Jahren habe ich ein Mädchen kennen gelernt. Sie hieß Violet«, sagte Bear. »Ich war zum ersten Mal in Kenia. Ich war damals, oh, etwa sechs Wochen hier. Hab sie im Buff’s kennen gelernt. Ja, es war damals schon die gleiche Aufreißbude wie jetzt, aber damals war es ein bisschen schwieriger, die Prostituierten von den Amateuren zu unterscheiden. Violet war allerdings eindeutig genug. Sie sah mich sofort, als ich hereinkam. Sie saß in einer Nische mit einem betrunknen
Mzungu
; den hat sie sitzen lassen, einfach so.« Sein Fingerschnippen war wie ein Gewehrschuss in dem stillen Zimmer, das nun durch die schräge Nachmittagssonne überwiegend im Schatten lag. »Ich muss sagen, sie sah ziemlich schrill aus. Roter Minirock, weiße Bluse mit roten Tupfen. Das Haar mit einer großen roten Schleife zurückgebunden. Selbst in einem überfüllten Stadion wäre sie aufgefallen. Sie war sehr entgegenkommend, und das war okay. Ich wollte Spaß haben, und sie war die Frau dazu. Mann, was für einen Arsch sie hatte! Und ich, ich war so geil wie ein Zuchtbulle. Dann kommt ihr Freund wie eine Dampflok aus der Nische geschossen. Er war wirklich stinksauer.« Bear zog an der Zigarette und lachte leise. »Also sind er und ich aufeinander losgegangen. Und der Mistkerl wusste, was er tat! Hat mich ganz schön überrascht. Er hat mir gleich zu Anfang ein paar ziemlich präzise Schläge verpasst. Ich hab nicht besonders gut ausgesehen. Und dann:
Wamm!
Violet hat ihm eine Bierflasche über den Kopf gezogen. Er ist umgefallen wie ein Sack Scheiße!«
    Jack genoss

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