Die Tränen der Massai
alten Dachgepäckträgerhalterung hängen. Der Objektivdeckel hing an einer Schraube. Instinktiv griff Jack nach der Kamera, und im gleichen Augenblick gab Bear Gas. Der Ruck warf Jack rückwärts aus der Luke, und er versuchte verzweifelt, etwas zu finden, an dem er sich festhalten konnte. Ein weiteres Aufbrüllen des Motors, ein weiterer Ruck nach vorn, und Jack flog über den Rand und prallte mit den Rippen gegen das Ersatzrad. Atemlos von dem Schlag, konnte er kaum schreien, und niemand hörte seinen Protest.
Im Auto verlor Bear rasch die Geduld, jagte den großen Dieselmotor hoch und kuppelte. Der alte Landrover wackelte und bockte, während Bear zwischen Rückwärts- und Vorwärtsgang hin und her schaltete. Jack rollte sich zur Seite, aber nicht weit genug, um dem Dreck und den Steinen zu entgehen, die die Räder aufwirbelten. Qualm von brennendem Gummi quoll aus dem Loch, das das halbe Hinterrad verschlungen hatte, und brannte in Jacks Lunge. Dann übertönte ein schrilles Kreischen allen Lärm des Motors und der durchdrehenden Reifen. Jack spürte einen kräftigen Schlag an der Schulter. Er lag flach im Staub, ein junges Warzenschwein auf dem Schoß. Das Tier rannte quiekend davon. Wieder drehte sich das Rad, und ein zweites kleines Warzenschwein flog an ihm vorbei und verfehlte knapp seinen Kopf. Mit jedem Aufheulen des Motors wurde ein fußballgroßes Warzenschwein aus dem Loch gestoßen wie eine Erbse aus der Hülse. Schrilles Kreischen folgte, als mehr Warzenschweine in alle Richtungen in Deckung rannten.
Endlich war das Loch groß genug, so dass der Landrover am Boden der Mulde Halt fand. Er rumpelte aus dem Loch heraus, und Jack blieb im Dreck zurück.
Er kam mühsam auf die Beine und stolperte hinter dem Auto her, aber dann fiel er in das Warzenschweinloch. Das Röhren des Diesels verklang irgendwo auf der anderen Seite der Staubwolke. Jack stand im Loch und fluchte.
Die Löwen!
Die hatte er vollkommen vergessen!
Der Löwe mit der schwarzen Mähne kam durchs kniehohe Gras gelaufen. Jack keuchte und wollte nach hinten springen, aber da seine Beine noch im Loch steckten, fiel er nur rückwärts auf den Rand und schob sich auf dem Hinterteil weiter wie eine verkrüppelte Krabbe. Er stieß einen erstickten Schrei aus.
Verborgen im Gras, schlug die fliehende Beute des Löwen einen Haken, nur um Haaresbreite außer Reichweite der Löwenpfote. Der Löwe rutschte im Dreck aus, als er versuchte zu folgen. Sowohl er als auch das Warzenschwein verschwanden in einer Wolke aus Staub, keine zwanzig Schritte von Jack entfernt, der immer noch auf dem Boden saß. Einen Augenblick später tauchte das kreischende Warzenschwein wieder auf und rannte direkt auf ein paar halbwüchsige Löwen zu, die die Jagd beobachtet hatten. Sie duckten sich und spitzten die Ohren, als das erschrockene Warzenschwein auf sie zugerannt kam. Es entdeckte die jungen Löwen zu spät und versuchte auszuweichen. Ein Löwe griff an, und zwei riesige Tatzen drückten das Warzenschwein auf den Boden.
Um Jack herum griffen nun etwa zehn Löwen unterschiedlicher Größe fauchend die jämmerlich gefangenen Warzenschweine an. Jack saß wie erstarrt in der Mitte.
Er sah sie nicht aus dem Landrover springen, aber als Malaika ihn am Arm packte, sprang er auf wie eine erschrockene Gazelle. Sie rannten zum Landrover. Jack schob Malaika hinein, dann sprang er hinterher und zog rasch die Tür hinter ihnen zu. Das Auto füllte sich mit Staub und Baers Lachen. Einen Augenblick starrte Jack Bear verblüfft an, und dieser musste über die Miene seines Freundes noch mehr lachen. Er schlug Jack auf den Oberschenkel. »He, Kumpel! Willkommen im
echten
Afrika!« Tränen traten ihm in die Augen und liefen in seinen grau werdenen Bart. Jedes Mal, wenn er Jack ansah, fing er wieder an, dröhnend zu lachen.
Jack lächelte zunächst, dann lachte er mit. Schließlich stieß er ein lautes, begeistertes Heulen aus.
Malaika lächelte und umarmte ihn erleichtert, küsste ihn und bedachte ihn mit jedem Segen auf Englisch und Swahili, an den sie sich erinnern konnte.
Jack kam mit drei Flaschen Cola aus dem Souvenirladen. Malaika wollte auch einkaufen, wurde aber von dem ungeduldigen Bear darauf hingewiesen, dass sie wahrscheinlich bei Sonnenuntergang wieder an der Bar sein könnten, wenn sie sich nicht so lange aufhielten.
Zwanzig Minuten später kamen sie an einem Schild vorbei, das fünfundzwanzig Kilometer bis zum Sekanani-Tor anzeigte. Cottar’s Camp lag
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