Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
Vom Netzwerk:
zurückzuverfolgen. »Vielleicht habe ich mich einfach nur gefragt, ob ich träume.«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun ja, hier bin ich, ein Junge aus dem australischen Busch, weit von zu Hause entfernt und im Bett mit einer wunderschönen schwarzen Frau. Das bringt einen doch zum Nachdenken.«
    »Hm«, sagte sie, beschäftigt mit ihren eigenen Gedanken. Ihre Hand war seinen Arm entlang und über die Schulter hinauf zu seiner Wange gewandert, wo ihre Fingernägel nun seiner Kinnlinie folgten.
    »Und was ist mit dir? Was denkst du?«
    Sie seufzte leise. »Ich denke an all das hier.«
    »All das?«
    »Ja. du weißt schon. Du und ich. Das Zebrapaar. Und ich frage mich, welche Gefühle das in mir auslöst.« Sie legte ihm den Finger auf die Lippen. »Ich meine, sieh dich doch an. Du bist so … so weiß!«
    »Nicht nur schön, auch noch scharfsinnig!«
    »Und ich bin so … nun ja, ich weiß nicht, was ich bin. Anders, das ist es.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du und ich. Wir sind so unterschiedlich. Das hier ist kein gutes Land, um so zu sein wie wir. So unterschiedlich. Vielleicht ist es überall das Gleiche. Wie ist es denn in Australien? Würden wir in Australien auch ein bisschen seltsam aussehen?«
    Jack stellte sich vor, wie sie sich zum sonntäglichen Büfett in einem typischen Familienrestaurant anstellten oder zum Meeresfrüchtebüfett im Leagues Club. »Ja, wahrscheinlich.«
    »Es ist wirklich unhöflich. Diese Menschen haben keine Scham. Du musst sie doch auch bemerken, Jack. All diese Leute da draußen, die starren, die flüstern, die sich umdrehen, wenn wir an ihnen vorbeigehen. Du weiß schon,
diese
Leute.«
    »O ja, diese Leute. Ja, ich habe sie bemerkt.«
    »Beunruhigen sie dich nicht?«
    »Eigentlich nicht. Überwiegend fühle ich mich sehr gut dabei, mich mit dir sehen zu lassen. Ja, sie starren uns an. Aber normalerweise macht mir das nichts aus. Es ist, als würde ich zusammen mit einem Filmstar ein Restaurant betreten.«
    »Ich fühle mich dabei nicht gut, so viel ist sicher.« Sie fuhr mit dem Finger durch das Haar auf seiner Brust. »Vielleicht ist es egal, wohin man geht. Ich habe bisher nur ein einziges Zebrapaar kennen gelernt. Sie sind für ein kurzfristiges Projekt zu AmericAid gekommen. Sie kamen aus Amerika, und sie hatten dort ständig Probleme. Sie war weiß. Er war der Schwarze. Sie sagte, sie glaube, dass diese Konstellation es schlimmer macht. Die weißen Männer sahen sie an, als hätte sie sie verraten. Einige versuchten, mit ihrem Mann Streit anzufangen.«
    »Fühlst du dich so? Wie eine Verräterin?«
    »Nein! Aber es macht mich wütend. Ich denke, es geht niemanden etwas an. Falls du weißt, was ich meine.«
    »Du hast keinen Grund, dich schuldig zu fühlen. Du bist stolz, eine Massai zu sein, und das ist großartig.«
    »Stolz? Nein, ich bin nicht stolz. Oder unstolz. Ist das ein Wort?«
    »Bist du nicht? Manchmal habe ich den Eindruck, dass du wirklich stolz darauf bist.«
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht war es dieser Abend im Carnivore, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Ich erinnere mich, dass du gesagt hast, dass du eine afrikanische Prinzessin bist, und ich sagte etwas wirklich Dummes wie
aber nicht die Königin von Saba,
und du sagtest,
nein, Massai.
Ich hielt es für ziemlich cool, das du so stolz auf deine Kultur bist.«
    »Das hast du gedacht? Dass ich stolz darauf bin, eine Massai zu sein? Das ist komisch! Ich habe es wahrscheinlich gesagt, um dich loszuwerden.« Sie küsste ihn auf die Brust. »Jack, wenn du etwas länger in Kenia gewesen bist, wirst du verstehen, dass Massai zu sein nicht zu den Dingen gehört, auf die man stolz sein kann.« Sie setzte sich hin und kramte in ihrer Reisetasche auf dem anderen Bett. Sie holte ein T-Shirt heraus.
    »Ich hätte gedacht, bei all der Tradition, die die Massai haben –«
    »Tradition? Was kann Tradition Leuten schon helfen, die sich nicht selbst ernähren können? Tradition ist etwas für Gebildete. Die Massai haben viel Vieh. Aber können sie ein einziges Tier verkaufen, um Schulgebühren zu bezahlen? Nein. Sie klammern sich an den alten Weg. Sie und ihre
Scheiß
rinder! Entschuldige. Ich werde schon wütend, wenn ich nur daran denke.« Sie stand auf, nahm ein Höschen aus ihrer Tasche und zog es an. »Ihre Geschichten, ihre Folklore … Sie glauben, als Gott das Rindvieh schuf, hat er es den Massai gegeben. Alles Rinder!«
    »Was ist falsch daran? Viele Kulturen haben ihre eigene Sicht des

Weitere Kostenlose Bücher