Die Tränen der Massai
Universums. Sieh dir nur den Westen an! Wir glauben, dass wir zum Herrschen geboren sind.«
»Na ja, im Massaiuniversum glaubt man, wenn andere Kühe haben, haben sie sie entweder aus einer Massaiherde gestohlen, oder die Massaikühe haben sich verlaufen. Ganz gleich, wie, sie holen sich die Kühe zurück. Was hältst du davon?«
Jack musste trotz ihres Zorns lächeln. »Äh … praktisch.«
»Wirklich, Jack«, sagte sie gereizt.
»Versucht denn niemand, sie zu informieren? Was ist mit den Anführern – wie nennst du sie, die Ältesten? Können sie solche Sachen nicht zurechtrücken?«
»Das könnten sie, wenn sie wollten, aber die Massaianführer sind eine andere Geschichte.«
Sie ließ sich auf das andere Bett fallen. »Zum Beispiel Massaipolitiker – wirklich ein Witz.« Sie schlug sich mit den flachen Händen auf die Knie. »Einer von ihnen hat versucht, ein Gesetz durchzubringen, dass die Massaifrauen Hosen tragen müssen. Kannst du dir das vorstellen?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nicht an seinen Namen erinnern – es ist ein paar Jahre her. Ai! Nun gut, nachdem alle ordentlich über die Idee gelacht hatten, hat er sie fallen lassen.«
Sie stand auf, zog Shorts an und setzte sich wieder hin. »Siehst du? Sogar die Massaianführer finden die Massai peinlich.«
»Ich kann sie weder verteidigen noch verdammen«, sagte Jack und streckte die Hand aus, um ihren Arm zu streicheln. »Du bist hier die Massai.«
»Nicht mehr«, sagte Malaika kopfschüttelnd. »Nicht mehr.«
Bear schaltete einen Gang herunter, als sich der Landrover den Feldweg hinaufkämpfte, und hielt den Wagen auf einem grasbewachsenen Hang unter einer Akazie an. Im Westen und im Norden zog sich ein langer schwarzer Streifen durch das graue Grasland. Durchs Fernglas konnte Jack erkennen, dass der Streifen sich bewegende Tiere waren, von denen die ersten den Hang herauf auf sie zukamen. Die Akazie mit ihren dünnen Ästen und dem flachen Laub stand da wie eine Vogelscheuche, die vergeblich versuchte, diese Herde aufzuhalten, die über den Hügelkamm um sie herum und auf der anderen Seite wieder nach unten zog.
»Jack – dort!«, sagte Malaika und drückte ihre Wange an seine, damit er in die gleiche Richtung schaute wie sie. »Über dem Hügel dort. Siehst du das?«
Bear hatte die kreisenden Geier ebenfalls bemerkt. Fünf Minuten später rollte der Landrover in ein flaches Tal. Sechs Löwenjunge verteidigten die Überreste eines Gnukadavers gegen einen Schwarm von Geiern, die zwischen den Grasbüscheln umherhüpften wie groteske Marionetten. Das Geräusch des Landrovers trieb die Aasfresser an den Rand des Tals. Ein mörderischer Kampf noch vor dem Morgengrauen hatte das Gras rings um den Kadaver flach gedrückt. Die sechs jungen Löwen, kaum größer als kniehoch, brachten dem Landrover nur geringes Interesse entgegen und wandten sich bald wieder dem Gnukadaver zu.
»Da drüben!« Bear zeigte auf eine Reihe von Dornbüschen dreihundert Schritte entfernt. Ein männlicher Löwe und drei Löwinnen dösten im Schatten.
»Und dort!« Auf der anderen Seite des Wegs nagten drei weitere Löwen, denen die Mähnen von Jungtieren wuchsen, träge an einem bereits ziemlich abgefressenen Schenkel. Malaika drückte Jacks Hand.
Das Rudel, etwa fünfzehn erwachsene Löwen und die sechs Jungtiere, war rings um den Gnukadaver verteilt. Die ausgewachsenen Tiere hatten zuerst gefressen und sich dann für ein Schläfchen zurückgezogen, die Jungtiere blieben in der Nähe und waren noch verspielt genug, um träge zu kämpfen oder hin und wieder halbherzig nach ihren Geschwistern zu schlagen. Nur die Kleinen waren noch hungrig, aber sie konnten sich kaum gegen die dreisten Aasfresser behaupten.
Jack kletterte in den hinteren Bereich des Landrovers und dort durch die Luke im Wagendach. Er setzte sich aufs Dach, ließ die Beine ins Wageninnere baumeln und nestelte am Zoomobjektiv der Videokamera herum.
»Ich fahre rüber zu den Großen im Gebüsch«, sagte Bear und lenkte den Landrover vom Weg herunter. »Halt dich gut fest.«
Der Landrover fuhr kaum schneller als im Schritttempo durch hohes gelbes Gras. Jack ließ die Kamera laufen und versuchte, den Sucher auf den Rand der Lichtung zu richten, wo ein beeindruckender Löwe mit schwarzer Mähne und offensichtlich vollem Bauch müde blinzelte.
Dann sackte die linke Seite des Autos plötzlich nach unten. Die Kamera fiel Jack aus der Hand, rutschte über das Dach und blieb an einer
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