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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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blutiges
Shuka.
»Nein. Wir teilen unseren
Laibon
mit dem Keekonyokie-Klan nahe Narok.«
    Noah war sich über Tingishas Status immer noch nicht sicher. »Aber Tingisha, mein Freund, ist es dir nicht peinlich, die Kleidung eines niedrigeren Rangs tragen zu müssen?«
    »Das stört mich überhaupt nicht, mein Freund. Ich habe in der Schule gelernt, dass es in Kenia viele Traditionen gibt. Der Weg der Massai ist nicht der einzige Weg. Zwei von uns arbeiten in Cottar’s Camp. Es gäbe Arbeit für noch mehrere, aber wir beiden sind die Einzigen, die lesen können. Und die meisten sprechen kein Englisch.«
    »Du kannst lesen? Und du sprichst Englisch?«
    »Ja. Elias, das Tuch. Tauche es in die Milch.«
    »Ich verstehe.« Noah fühlte sich immer unbehaglicher.
    Elias reichte Tingisha das nasse Baumwolltuch, und er begann, vorsichtig die Wunde abzutupfen.
    »Du … du warst also auf einer Regierungsschule?«
    »Ja. Wir haben es gehasst. Ich spüre immer noch die Scham. Ich bin jeden Tag sechzehn Meilen zur Schule gegangen. Wir haben das
Enkang
vor dem Morgengrauen verlassen. Drei Jungen im Busch, während der Leopard noch jagt! Und selbstverständlich hatten wir keine Schuhe.«
    Noah schüttelte mitleidig den Kopf.
    »Unsere
Shukas
halfen nicht gegen die Morgenkälte. In der Schule haben die anderen Kinder uns ausgelacht.« Tingisha betupfte vorsichtig die zerrissenen Ränder von Kirekos Bauchwunde. »Mehr Tuch«, verlangte er.
    Elias riss ein Stück von einem gemusterten roten Tuch ab.
    »Und die Lehrer? Wie waren die?«, fragte Noah, unfähig, seine Neugier zu beherrschen.
    »Sie waren sehr streng. Sie folgten den Regierungsregeln. Wir mussten unsere Massaibräuche und Traditionen zu Hause lassen. Ich glaube, sie wollten uns zu Bauern machen.« Er lächelte und schüttelte bei der Erinnerung den Kopf. »Das ist jetzt schon lange her. Aber gegen Ende mochte ich die Schule. Ein wenig.«
    »Wenigstens bist du kein Bauer geworden!« Noahs Entsetzen siegte über seine guten Manieren.
    Tingisha ignorierte den Tonfall und säuberte weiter die Wunde. »O nein. Ich nicht. Aber einige von uns Purko haben es getan. Besonders die Armen. Die zu wenig Vieh hatten. Es hilft, wenn die Zeiten schlecht sind.«
    Noah schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Der Unterricht hat aufgehört, als die Mau-Mau die Briten davongejagt haben. Wir sind zum alten Weg zurückgekehrt. Meine Brüder und ihre Kinder haben keine Bildung.« Tingisha arbeitete rasch. Er drückte die bunte Baumwolle auf die Wunde, dann band er ein weiteres Stück um Kirekos Taille, um die Kompresse an Ort und Stelle zu halten. Er setzte sich stirnrunzelnd auf die Hacken zurück und schüttelte den Kopf. »Wir müssen ihn zu einem Arzt bringen.« Er blickte auf und sah Noah und Elias an. »Ich habe nichts hier für solche Wunden. Die Blutung hat beinahe aufgehört, aber es sieht schlimm aus. Die Wunde reicht vielleicht bis in die Eingeweide.«
    Er stand auf und überragte erneut alle. »Er braucht einen Arzt.«
    Kireko sagte: »Ich brauche keine
Wazungu-
Medizin, Vetter. Aber wenn du die Wunde nähen könntest, werden wir wieder nach Isuria aufbrechen, zu unserem
Eunoto

    »Isuria ist mehr als eine Tagesreise entfernt. In deinem Zustand könntest du noch vor der Zeremonie sterben.«
    »Dann hol euren Medizinmann.«
    »Diese Wunde ist nichts für einen
Laibon
mit Kuhsehnen und Schafsfett. Außerdem ist er auf der anderen Seite von Narok. Das ist beinahe so weit weg wie Isuria.« Tingisha seufzte. »Ich werde den Geschäftsführer der Lodge bitten, einen Arzt zu rufen.«
    »Nein.« Kireko stand mühsam auf. »Noah und ich werden weiterziehen, wenn ich mich ausgeruht habe. Meine Urgroßmutter wird mich heilen.«
    Tingisha zog die Brauen hoch und sah Noah fragend an.
    »Seine Urgroßmutter ist eine ehrwürdige Älteste.«
    Tingisha schüttelte den Kopf. »Wie du willst, Vetter. Aber dann will ich dir ein Transportmittel suchen.«
    »Danke«, sagte Noah. »Aber das ist sicher schwierig für dich.«
    »Es ist ein Notfall. Der Geschäftsführer von Cottar’s Camp hat uns schon einmal seinen Minibus geliehen. Er ist ein Kikuyu, aber manchmal versteht er uns.« Er sah Kireko an. »Du solltest dich jetzt ausruhen.«
    Kireko nickte, dann fragte er: »Kannst du diesen Minibus fahren, Vetter?«
    »Ja.«
    »Gut. Ich werde Hilfe von einem Ältesten der Massai annehmen, aber kein Kikuyu oder
Mzungu
wird mich verwundet zu meinem
Enkang
bringen.«
    Tingisha seufzte. »So jung und schon so

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