Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
Vom Netzwerk:
erfolgreich angewandt hatte.
    Aber das hier war Kirekos Löwe und seine Verantwortung. Als der Löwe und die Löwin gleichzeitig angegriffen hatten, hatte eines nach dem anderen nicht genügt. Und obwohl Noah alles perfekt gemacht hatte, eines nach dem anderen, war ein Tod unvermeidlich gewesen.
    »Ich konnte euch nicht beiden helfen. Mein Arm war zu langsam«, stöhnte Noah.
    »Niemand hätte mehr tun können. Und unser Bruder ist tapfer gestorben. Wir müssen
Ngai
dafür danken, dass er ihm einen solch ruhmreichen Tod geschenkt hat. Es gibt keinen besseren Weg, das Leben eines Kriegers zu beenden.«
    Kireko versuchte, Noah den Toten abzunehmen, aber dann fiel er keuchend auf ein Knie. Der sechs Zoll lange Riss in seinem rechten Oberschenkel ging tief durch die Muskeln, aber es war ein sauberer Schnitt und blutete nur leicht. Noah löste Kirekos Finger langsam von der Stelle am Bauch, auf die er sie drückte. Blut floss aus einer langen, gezackten Wunde und tropfte auf Kirekos
Shuka.
    Wie es der Brauch verlangte, legten sie Shokeris Leiche für die Fleischfresser zurecht, die sie von dieser Welt in die nächste tragen würden. Sie platzierten seinen Speer und den Schild an seiner Seite und steckten ihm das
Simi
in die blutige Hand.
    »Komm, Kireko, jetzt müssen wir Hilfe für dich suchen. Ich werde auf diesem Weg dein rechtes Bein sein.«
    »Danke, Bruder.«
    Kireko richtete sich auf und kämpfte gegen den stechenden Schmerz in seinem Bauch an. »Aber als Erstes werde ich mein
Olawaru
von meinem Löwen holen.«
     
    Am Wasserloch half Noah seinem Freund, sich auf einen Stamm zu setzen. Er schaute zur Sonne hinauf, die die Hälfte ihres Wegs nach Westen zurückgelegt hatte, dann ging er zum Wasser. Die vielen Spuren im Schlamm erzählten die Geschichte dieses Tages. Vielleicht weniger als eine Stunde zuvor hatten hier Büffel getrunken: acht große und zwei Kälber, die als Letzte zum Wasser gegangen waren. Elefanten waren früh am Morgen hier gewesen. Paviane wahrscheinlich gleichzeitig mit den Elefanten. Und dort waren die Spuren von drei, nein, vier Hyänen. Eine hatte ein verletztes Hinterbein.
    Noah füllte die
Calabasha
und kehrte zu Kireko zurück, dessen Geist seinen Körper immer wieder zu verlassen schien. Noah machte sich Sorgen. Kireko hatte viel Blut verloren.
    »Die Blutung hat nachgelassen, aber du siehst müde aus«, sagte Noah und reichte Kireko die Wasserflasche. Er hockte sich neben ihm auf die Hacken und sah zu, wie sein Freund das Wasser über seine Unterlippe laufen ließ. Kein Tropfen ging verloren.
    »Ich habe heute früh auf dem Weg ein
Enkang
gesehen«, fuhr Noah fort. »Es liegt nicht weiter als zwei Stunden westlich von hier. Wir werden es vor Sonnenuntergang erreichen.«
    Kirekos Blick blieb distanziert und unkonzentriert.
    »Ich werde dich dort drüben lassen« – Noah wies mit dem Kinn auf ein
Kopje
in der Nähe –, »wo die Felsen dich schützen, und werde allein losziehen und Hilfe holen. Das wird schneller gehen.«
    Kirekos Geist kehrte in seinen Blick zurück. »Nein, Bruder. Wir gehen zusammen zu diesem
Enkang.
Ich habe mich jetzt ausgeruht.«
    »Wie du willst. Aber wir sollten uns beeilen. Die Hyänen werden dein Blut wittern, und dann bekommen wir noch mehr Ärger.«
    Kireko nickte und ließ sich von Noah hochziehen.
     
    Das
Enkang
lag in einem flachen Tal; das
Boma
aus Dornengebüsch umgab vielleicht fünfzehn niedrige Hütten. Die Kinder hatten die Ziegen und Schafe bereits ins Dorf getrieben. Ältere Hirtenjungen brachten nun auch die Rinder in die Mitte des
Enkang,
wo sie vor nächtlichen Raubtieren sicher sein würden. Eine Reihe von Frauen mit großen Holzbündeln auf dem Rücken ging durch das Tor.
    Am
Boma-
Eingang kam den beiden ein junger
Morani
entgegen. »
Sopa«,
sagte er. »Ich bin Elias von der Gelbes-Gras-Altersgruppe.«
    Sie erwiderten den Gruß. »Ich bin Noah, und das hier ist Kireko von der Geflecktes-Kalb-Altersgruppe des Aiser-Klans.«
    Noah berichtete, was geschehen war.
    »Es macht mich traurig, vom Tod eures Bruders zu hören«, sagte Elias. »Du solltest
Ngai
danken, dass dein Löwe nicht zu schnell war. Aber er hat dir eine blutige Erinnerung an euren Kampf hinterlassen, mein Freund.«
    »Er war schnell, Vetter«, sagte Kireko, »aber zu seinem Unglück auch dumm genug, zu glauben, er könnte es mit einem
Morani
vom Aiser-Klan aufnehmen.«
    »Tatsächlich?«, erwiderte Elias lächelnd. »Er mag dumm gewesen sein, aber er war nicht blind. Er konnte

Weitere Kostenlose Bücher