Die Tränen der Massai
Jack.
»Hm-hm. Zu heiß für mich. Aber ihr verrückten
Wazungu
scheint euch nicht daran zu stören.«
Sie waren schon vor drei Uhr in der Bar. Malaika hatte ein Buch unter dem Arm, und die Männer trugen ihre Kameras über den Schultern. Der Führer war jedoch auch um Viertel nach drei noch nicht erschienen, und die Gruppe – es gab noch vier andere Leute – hatte sich in kleinere Grüppchen aufgeteilt, die sich leise unterhielten.
Stewart, ein englischer Journalist, arbeitete für eine Tageszeitung in Nairobi. Aber es war offensichtlich, dass sein Interesse der Politik galt. Er konnte kaum erwarten, zu hören, was Malaika, eine waschechte Eingeborene, über den mutigen Vorstoß seines Blatts in Sachen Enthüllungsjournalismus sagte.
Jack wurde von der Frau des Journalisten, einer geschwätzigen Amerikanerin von etwa fünfzig Jahren mit orangefarbenem Haar, das entweder sehr modisch oder – wie Jack annahm – ein Fehler des Salons war, in die Enge gedrängt. Er diagnostizierte bei ihr schon bald das Gattinnen-im-Ausland-Syndrom: Gefangen in einer Welt von Tennis, Bridge und dem örtlichen Amateurtheater. Als sie begann, von dem skandalösen Rücktritt des Präsidenten der Freunde des Nationalmuseums zu berichten, entschuldigte sich Jack, um sich noch ein Bier zu holen. Als er zurückkehrte, hatte sie sich an Bear und das andere Paar gehängt. Der Mann war Mitte sechzig, fett und kahl. Die Blondine neben ihm schien mindestens zwanzig Jahre jünger zu sein. Bear unterhielt sich angeregt mit ihr und setzte seinen ganzen Charme ein. Das war ungewöhnlich für ihn, dachte Jack und ließ seinen Freund mit einem breiten Grinsen und einem Zwinkern wissen, dass dieses Verhalten nicht unbemerkt geblieben war. Bear ignorierte ihn demonstrativ.
Jack stellte sich zu Malaika und dem Journalisten.
»Aber glauben Sie nicht, dass es ein guter Anfang ist?«, fragte der Journalist.
»Zu wenig. Zu spät«, antwortete sie.
»Also wirklich, meine Liebe, Sie sind ein bisschen hart mit uns! Wir schlagen uns erheblich besser als der
Standard.«
»
Der
Standard
ist ein Regierungsblatt.«
Zur Antwort auf Jacks verwirrten Blick fügte sie hinzu: »Stewart sagt, dass die Wilderei nur weitere Regierungskorruption ist und –«
»Still!« Der Journalist berührte ihren Arm. »Tut mir Leid, meine Liebe«, sagte er und sah sich um. »Man kann einfach nicht vorsichtig genug sein. Sie arbeiten doch nicht etwa für die Regierung?« Er hob in gespieltem Entsetzen die Hände. »Nur ein Witz. Hahaha!«
Malaika lächelte höflich und tat ihm den Gefallen, leiser weiterzusprechen. »Und seine Zeitung,
The Nation,
hat begonnen, über die Wilderer zu berichten.«
»Tatsächlich?«, sagte Jack. »Ja, ich glaube, ich habe vor kurzem in
The Nation
etwas über Wilderer gelesen. Es gab auch ein Foto von Moi im Nairobi National Park, wie er das beschlagnahmte Elfenbein anzündete.«
»Ja, das waren wir. Moi versucht nur, die Dinge zu beschönigen. Aber
The Nation
erhält Unterstützung für ihre Arbeit. Besonders von den Naturschutzgruppen. Den überseeischen, selbstverständlich.«
»Ich kann mich nicht an alle Einzelheiten erinnern«, fuhr Jack fort und tippte mit dem Finger gegen die Lippen. »Um was ging es in dem Artikel genau?«
»Wir haben festgestellt, dass es ein paar seltsame Querverbindungen gibt«, erläuterte Stewart. »Der Präsident unterstützt seinen Direktor der Nationalparks, Richard Leakey, nicht genug.«
»Aber wo besteht die Querverbindung?«, fragte Jack. »Zwischen den Wilderern und der Regierung?«
Wieder schaute der Journalist über die Schulter.
Jack konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
»Nicholas Onditi. Den Minister für Bodenverwaltung.«
Mächtige Leute tun manchmal seltsame Dinge, sagte sich James Onditi, als er in einem weißen Rangerover – einem Dienstwagen – durch die verfallenen Außenbezirke von Nanyuki fuhr. Der Laster mit der Plane war immer noch im Rückspiegel zu sehen und rumpelte durch den vom Rangerover aufgewirbelten Staub. Onditi war sehr zufrieden mit sich selbst. Er hatte den Laster ohne Probleme durch die Kontrollen bei Isiolo gebracht. Es hatte ihn nicht mehr als fünfhundert Shilling gekostet, den Preis für ein Abendessen und ein paar Bier. Er würde behaupten, dass er tausend bezahlt hatte, und zusehen, wie Mengoru spuckte und stöhnte. Das war es, was ihn dazu gebracht hatte, über mächtige Leute und ihr seltsames Verhalten nachzudenken: Mengorus Besessenheit,
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