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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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Träume, in denen man vollkommen machtlos war. Selbst den Kopf zu heben war eine Herausforderung, die mehr Kraft verlangte, als er aufbringen konnte. Aus Erfahrung wusste er, dass er nur fliehen konnte, wenn er sich zwang aufzuwachen, aber diesmal funktionierte es nicht – der Traum hielt ihn fest.
    Er kämpfte dagegen an. Grelles gelbes Licht stach ihn durch geschlossene Lider in die Augen. Rings um ihn her toste und knackte es, und die Luft an seinem Gesicht war heiß.
    Er spürte, dass hinter dem Traum etwas Schreckliches geschah. Er zwang sich, die Augen ein bisschen zu öffnen, und sah, wie Malaika am Haar aus der Hütte gezerrt wurde. Sie stieß einen leisen Schrei aus – seinen Namen. Ein Flehen um Hilfe.
    Das goldene Licht zischte und knisterte. Jack versuchte aufzustehen, aber der Boden hielt ihn, und das schwarze Loch der Bewusstlosigkeit riss ihn wieder zurück.
     
    Das Bewusstsein kehrte in Blitzen zurück, wie kurze Szenen in einem Stummfilm. In einer wurde er über den Dreck ans Feuer geschleift. In einer anderen sah er, wie Malaika mit einem großen Mann in Schwarz kämpfte, der ihre Bluse zerriss und ihr ins Gesicht schlug.
    Er hielt sich an die greifbaren Dinge, um einen klaren Kopf zu bekommen – den weichen Staub, der sich an seine Wange drückte, die Wärme des Feuers an seinem Gesicht, tanzende Schatten an den Hüttenwänden. Geräusche. Das Knistern und Knacken des Feuers, eine zornige Stimme – die Sprache fremd, aber seltsam vertraut. Er sah die schwarze Silhouette eines dicken Mannes vor dem Feuer, sein Schatten bewegte sich mit dem Zucken der Flammen.
    Jack hob den Kopf. Malaika saß auf den Hacken neben ihm, außer Reichweite. Ein Blutrinnsal lief ihr aus dem Mundwinkel. Sie schien halb betäubt – sie hatte den Kopf gesenkt, ihr matter Blick war auf den Boden gerichtet, und sie schien nicht zu bemerken, dass Jack sich bewegte.
    »Malaika?« Seine Stimme war nicht mehr als ein knarzendes Flüstern.
    »Ah! Der
Mzungu
wird wach«, sagte Mengoru mit schleppender Stimme. In einer Hand hielt er ein Gewehr, in der anderen eine Kürbisflasche.
    Jack versuchte sich aufzusetzen. Sein Kopf dröhnte von der Anstrengung.
    »Mister
Morgan.
Karibu.
Willkommen bei unserer Party.« Mengoru hob die Kürbisflasche in höhnischem Gruß. »Wir haben ohne Sie angefangen. Tut mir so Leid. Haha! Etwas zu trinken?« Er hielt Jack die Flasche hin. Dann drückte er sie wieder an seine Brust. »Oh, das habe ich ganz vergessen.
Chang’aa
ist nichts für
Wazungu.
O nein!« Als er den Kürbis an den Mund hob, machte er einen stolpernden Schritt zurück zum Feuer.
    Jack nutzte die Gelegenheit, um Malaika anzusehen. Ihre Bluse war aufgerissen und eine Brust entblößt. Zöpfe hatten sich aus ihrer Haarspange gelöst und hingen wie weiche schwarze Schnüre zu beiden Seiten ihres Gesichts herab. »Malaika, ist alles in Ordnung?«, flüsterte er.
    Sie wandte ihm den Kopf zu. Er konnte ihre Augen nicht erkennen. Sie war ein Geschöpf aus Dantes Inferno – eine Seele am Rand der Hölle. Jacks Kehle war vor Entsetzen wie zugeschnürt.
    Mengoru schrie: »Nein! Hier wird nicht geredet!« Er richtete die Waffe auf sie. »Nicht reden. Reden mit Huren … nicht gestattet … weil …« Er begann zu murmeln, richtete den Blick auf den Boden zwischen ihnen. »Weil eine Ehefrau …« Er trank noch einen Schluck aus dem Kürbis. »Du und der … und der Schmied. Der Kunonomann.«
    Jack versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Mengoru schien Malaika in seinen betrunkenen Fantasien mit seiner Frau zu verwechseln.
    »Kein Wegrennen mehr. Hast du mich gehört, Frau?«, knurrte er. »Du wirst dieses Dorf nie wieder verlassen. Du hast mir Schande gemacht. Hast mich vor dem ganzen Dorf gedemütigt. Du wirst das Dorf nicht verlassen, hast du mich gehört?« Sein aufgedunsenes Gesicht verzog sich zu einem hässlichen, lüsternen Grinsen. »Jedenfalls jetzt noch nicht …« Speichel lief aus seinem Mundwinkel. »Noch nicht, meine süße Frau. Du!
Mzungu!
Bleib sitzen!« Er drohte Jack mit dem Gewehr. »Meine süße Frau«, wiederholte er und schwankte, als er den Kürbis an den Mund hob. Als er ihn wieder sinken ließ, hatte er Tränen in den Augen. Seine Stimme war beinahe ein Flüstern. »Süße Penina … Warum bist du gegangen? Warum, meine Süße?« Es war eine beinahe liebevolle Klage. »Du weißt, ich … ich habe dich gern gehabt.« Er wischte sich mit dem Jackenärmel über die Augen. Dann zog er eine Grimasse.

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