Die Tränen der Massai
»Gern gehabt! Ha!« Er wurde wütender. »Du hast mich nicht geliebt. Du und der … und der Schmied! Du Hure! Endlich kann ich es dir heimzahlen …«
Unsicher richtete er das Gewehr auf Malaika.
Jack versuchte, auf die Beine zu kommen, aber Mengoru bewegte sich rasch und versetzte ihm einen Tritt in die Rippen. Jack brach nach Luft ringend zusammen.
»Ich habe gesagt,
bleib sitzen!«,
brüllte Mengoru. »Ha! Sieh ihn dir an! Schwach!
Mzungu-
Männer sind alle schwach. Sieh mich an!« Er taumelte, als er den Kürbis hochhob.
»Chang’aa.
Das Getränk eines schwarzen Mannes. Das Getränk eines starken Mannes!« Er hielt den Kürbis auf Armeslänge von sich, dann hob er ihn feierlich wie einen Kelch mit Kommunionwein. Das Getränk spritzte in seinen Mund, das Rinnsal klarer Flüssigkeit reflektierte das Feuerlicht.
»Ihr
Wazungu
glaubt, Afrika gehört euch. Aber ich sage dir was: Afrika gehört
mir!
Ich tue, was ich will. Ich trinke
Machosi ya Simba.
Ich nehme eine Frau. Selbst diese Hure«, sagte er und zeigte mit dem Kürbis auf Malaika. »Kein Weglaufen mehr. Siehst du dieses Gewehr, Frau?« Er richtete es auf sie. »Na? Siehst du das?« Seine Stimme erhob sich zu einem Kreischen.
Jack wusste, er würde bald handeln müssen, aber so betrunken Mengoru auch sein mochte, der Alkohol hatte ihn bisher weder unaufmerksam noch langsam werden lassen. Jack versuchte noch einmal zögernd, aufzustehen und anzugreifen, erstarrte aber, als Mengoru sich ihm zuwandte. »Und du,
Mzungu,
siehst du das?« Er hob den Kürbis hoch, verlockte ihn mit einem Grinsen.
»Chang’aa.
Ein Männergetränk. Du weißt, was das ist? Wie? Weißt du das? Dummer
Mzungu. Machosi ya Simba.
Swahili. Sprichst du Swahili? Nein – selbstverständlich nicht.
Machosi ya Simba.
Die Tränen des Löwen. Weißt du das?« Er breitet die Arme weit aus, das Gewehr in einer Hand, die Flasche in der anderen. »Tränen des Löwen.« Er sah den Kürbis stirnrunzelnd an. »Meine Macht.« Er hob ihn an den Mund. Das Getränk lief an seinem Unterarm entlang auf seine Hose. »Hahaha!«, bellte er und schaute auf seine nassen Schuhe hinunter. »Die Tränen fließen!« Der Geruch nach Alkohol drang durch die stille Nachtluft. »Sie fließen! Haha!« Mengorus Lachen verklang. Er hustete, dann wandte er sich wieder Malaika zu. »Stark wie der Löwe.« Es war ein Knurren. »Niemand kann Mengoru aufhalten. Niemand!« Er schlug sich auf die Brust. »Der große Mann der Massai.«
Er verzog angewidert das Gesicht. »Die Massai! Welche Idioten! Von was für Dummköpfen ich umgeben bin! Idioten, die nichts von Geld verstehen. Sie kennen sich nur mit dummem Vieh aus. Pah! Vieh! Wer interessiert sich schon für Vieh! Geld ist alles, was ich will. Eines Tages … sieh mich nicht so an, du Hure! Ich kenne dich. Du willst es verderben, wie? Wieder einmal. Du verdirbst alles, was ich je … was ich je tun wollte. Kein Respekt!«, brüllte er und richtete die Waffe auf Malaika.
Jack nutzte die Chance und warf sich auf Mengoru. Aber Mengoru erwischte ihn am Wangenknochen und stieß ihn zurück in den Dreck. Halb betäubt sah Jack eher, als dass er es hörte, wie Malaika
Nein!
schrie, als Mengoru die Waffe unsicher auf Jack richtete, mit vorquellenden Augen, den Mund lautlos verzerrt. Ein Scheit in der weiß glühenden Mitte des Feuers brach, und lautlose Funken erhoben sich zum Himmel. Einen Augenblick bevor der Blitz mit gedämpftem Krachen aus dem Lauf zuckte, warf sich Jack zur Seite. Die Kugel wirbelte neben ihm Staub auf.
Malaika stürzte sich auf Mengoru, versuchte, seinen Waffenarm festzuhalten, aber er wehrte ihre schwachen Anstrengungen ab, stieß sie fauchend wieder zu Boden. Er trank noch einen Schluck, bevor er, ohne genau zu zielen, einen zweiten Schuss in Jacks Richtung abgab. Die Kugel flog über Jack hinweg.
Mengoru warf den Kürbis ins Feuer, wo er explodierte und die Flammen hoch aufflackern ließ. Er betrachtete sein Werk lächelnd über die Schulter hinweg und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. Als er sich wieder umdrehte und die Waffe mit beiden Händen packte, zielte er auf Malaika.
Plötzlich rauschte aus dem Dunkeln hinter der Lichtung Wind heran. Er riss an den Flammen und wirbelte einen Strudel heißer Luft und Asche um Mengoru, der unsicher stehen blieb, die Waffenhand erhoben. Einen Augenblick war er abgelenkt, aber dann tat er die Kraft, die an seinen Hosenbeinen zerrte, mit einem Fluch ab und richtete die Aufmerksamkeit wieder auf
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