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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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war überhaupt niemand im Dorf zu sehen.
    »Jack«, flüsterte Malaika, »das hier sieht sehr seltsam aus.«
    »Vielleicht sind sie alle zum Essen ausgegangen.«
    »Nein, ich meine, es ist niemand –«
    Er drückte ihr die Hand. »Schlechter Witz. Schlechter Zeitpunkt für Witze«, sagte er lächelnd. »Aber du bist so angespannt.«
    Sie wandte sich ihm zu, und das Stirnrunzeln wich einem Lächeln. »Ja … ich fürchte, ich bin ein bisschen nervös.« Das Lächeln war wenig überzeugend, sogar verlegen, aber wie viele ihrer intimen Gesten öffnete es ihm ihre Seele. Sie sah so verwundbar aus, dass er zutiefst dankbar war, dass sie sich ihm anvertraute.
    Ein Blinzeln verscheuchte die Tränen aus ihren Augen. Er wusste, wenn er dieses Bild in sich bewahren konnte, dann würde er sich jedes Mal, wenn er sich an ihre Schönheit erinnern wollte, wenn er sich erinnern wollte, wie sehr er sie liebte, dieses Gesicht vor Augen rufen können.
    Sie senkte den Kopf um zu zeigen, wie verstört sie über seinen Blick war. Er küsste sie. Eine sanfte Berührung von Lippen. »Es wird alles gut gehen«, sagte er. »Bleib hier, wenn du willst. Ich gehe vor und sehe nach.«
    Sie schaute zu dem Dorf hin und nickte. Dann wandte sie sich ihm wieder zu, ihre Miene glich die einer Gazelle angesichts des hypnotischen Blicks eines Löwen. »Nein. Ich muss es selbst tun.« Wieder versuchte sie zu lächeln. »Aber ich danke dir.«
    Jack wollte sie umarmen, wollte sie aus ihrem Alptraum retten, aber ein leises Knacken aus dem Dorf lenkte ihn ab. Ein knochentrockenes Stück Holz war im Feuer explodiert und entsandte einen Funkenschauer in den violetten Himmel. Sie wurden in die Wirklichkeit zurückgerissen.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie.
    »Jemand muss dieses Feuer angezündet haben. Aber ansonsten … es ist schrecklich still.«
    »Ja. Seltsam.«
    »Sein Auto ist nicht hier. Also nehme ich an, es war tatsächlich Mengoru dort im Hafen von Mwanza. Das hier ist unsere beste Chance.«
    Sie standen auf und schlichen aus dem Dornengebüsch und über offenes Land. Malaika ließ zu, dass Jack in dem steinigen Bachbett wieder ihre Hand nahm. Vor der
Boma-
Öffnung knisterte und toste das Feuer und warf tanzende Schatten auf die Hütten. Rosa Augen glitzerten in den Viehpferchen.
    Malaika führte ihn zu Kokoos Hütte.
    »Kokoo?«, rief Malaika leise. »Kokoo?« Kein Feuerlicht erhellte hier die Dunkelheit.
    Jack suchte in der Tasche und fand Bears Feuerzeug. Ein ganzes Leben schien vorbei zu sein, seit er es in der Polizeistation benutzt hatte, um das Feuer anzuzünden. Auch im Licht der kleinen Flamme konnten sie Kokoo nirgendwo in der Hütte entdecken. Selbst ihre Bettdecke war aufgerollt, und ihre Kochutensilien waren verschwunden. Jack zündete die Lampe über dem Bett an.
    Malaika berührte die Steine am Kochfeuer. »Kalt«, sagte sie, eher zu sich selbst als zu ihm. Dann wurde ihr klar, was hier geschehen war, und sie blickte zu Jack auf.
    »Vielleicht ist sie in ein anderes Dorf gegangen. Zu einem Besuch.« Noch bevor er die Sätze herausgebracht hatte, wurde ihm klar, wie dumm sie klingen mussten. Die alte Frau hatte ohne Hilfe kaum mehr zur anderen Seite des Dorfs gehen können. »Oder vielleicht ist sie in einer anderen Hütte«, fügte er rasch hinzu.
    Malaika richtete sich auf und betrachtete Kokoos Bettplattform, die kahl und kalt war. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Grasbüschel am Kopfende ihres Bettes. Das ist ein Zeichen für Frieden. Oder dafür, dass jemand gestorben ist.«
    Jack stellte sich hinter sie, legte ihr sanft die Hände auf die Schultern und zog sie an sich.
    »Sie ist tot«, flüsterte sie.
    Er küsste ihren Hinterkopf, spürte, wie sie seufzte. Sie senkte den Kopf, und er wartete.
    Die Lampe flackerte neben dem Bett.
    Er konnte die Macht ihres unterdrückten Schluchzens spüren. Ihre Schultern verkrampften sich, so heftig wurde sie geschüttelt. Sie zitterte vor Anstrengung, aber sie kämpfte dagegen an, gab keinen Laut von sich.
    Als ihr Atem wieder ruhiger wurde, lehnte sie sich gegen ihn, als wäre sie erschöpft und bräuchte ihn als Stütze.
    »Was willst du jetzt machen?«, flüsterte er schließlich.
    »Wir sollten lieber gehen.«
    Jack bückte sich unter dem Kuhfell an der Tür durch, aber schwarze Hosenbeine und ein Paar staubige schwarze Schuhe blockierten ihm den Weg. Eine Explosion von Licht in seinem Kopf löschte alles andere aus.
     
    Er war gefangen in einem dieser frustrierenden

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