Die Tränen der Massai
geben?«
»Nun, es braucht so viel Zeit. Ich hätte gedacht, drei Wochen genügen, um Ihrem Minister die Pläne vorzulegen.«
Onditi betrachtete die Papiere, die auf dem Tisch vor ihm lagen. »Das hier ist Kenia, Mr. Morgan. Wir drängen unseren Minister nicht. Ihr Briten scheint zu denken, dass wir immer noch eine Kolonie sind. Wir erledigen die Dinge jetzt auf die afrikanische Art. Und wenn das Zeit braucht – nun, dann wird Ihr kleines Projekt eben warten müssen.«
»Also gut. In Ordnung. Ich rufe Sie in ein paar Tagen wieder an.«
Onditis Lächeln war eisig, als er aufstand, um auf die Tür zu zeigen. »Sie können anrufen, wann immer Sie es für notwendig halten. Aber ich würde mir – wie sagt man bei Ihnen? – an Ihrer Stelle keine Hoffnungen machen.« Er stützte die Fingerknöchel auf den Konferenztisch und beugte sich vor.
Der weiße Mann stand langsam auf und steckte seinen Ordner in die Aktentasche. Er war einen halben Kopf größer als Onditi, aber etwa dreißig Pfund leichter. »Sicher.« Er hatte das gleiche harte Lächeln aufgesetzt wie zu Anfang. »Also sagen wir Donnerstag.«
Onditis Miene war ein Gewitter kurz vor dem Blitzschlag.
Der
Mzungu
drehte sich in der Tür noch einmal um. »Ach übrigens, ich bin Australier.«
Onditis hochgezogene Augenbrauen gerieten einen Augenblick der mürrischen Miene in den Weg. »Wie?«
»Ich bin Australier. Kein Brite.« Er schloss die Tür.
Kapitel 6
Aus Peabodys Ostafrikaführer (5. Auflage):
Ein Couplet des britischen Dichters Hilaire Belloc war bei den Truppen des britischen Empire sehr beliebt: »Whatever happens, we have got the Maxim gun and they have not.« (Was auch geschehen mag, wir haben Maschinengewehre und sie nicht.)
1911
Man hätte es nicht als Brise bezeichnen können – es war nicht viel mehr als eine Veränderung in der Luft –, aber es bewegte den Staubvorhang und gab den Blick frei auf zwanzig Angehörige der King’s African Rifles. Sie marschierten stolz, wenn auch nicht besonders kenntnisreich einher. Die Khakishorts und -hemden passten zu ihren staubigen schwarzen Beinen. Schwarze Quasten baumelten an ihren scharlachroten Fezhüten, als sie den drei berittenen Weißen folgten.
Gouverneur Sir Percy Girouards
Askaris
hatten rein zeremonielle Funktion. Das war auch gut so, denn wenn sie als Machtdemonstration gedacht gewesen wären, hätte das angesichts von Lenanas Ehrenwache ausgesprochen jämmerlich ausgesehen. Hunderte von Kriegern in voller Kampfausrüstung mit Speeren, Schwertern und bunten Schilden säumten die letzte halbe Meile des Wegs zum
Enkang
des
Laibon.
Das ockerfarbene Haar der
Moran
passte zu ihren roten
Shukas,
die kaum ihre Lenden bedeckten. Roter und weißer Ocker auf ihren muskulösen Oberschenkeln schien sich zu bewegen, als die Krieger stampften und ein Lied des Respekts und Willkommens für die Krieger des Gouverneurs sangen. Sie bewegten die Schultern rhythmisch nach vorn, und ihre Rufe kamen tief aus dem Bauch. Zwischen den Rufen dröhnte das Krachen von tausend Keulen auf feste Lederschilde, so dass es wie Donner von den Hügeln widerhallte.
»Hhuunh-hah!«
Krach.
»Hhuunh-hah!«
Krach.
Die Massaifrauen bildeten eine zweite Reihe hinter den
Moran.
Sie trugen bunte Kleider, hatten die Hände voll mit trockenem Gras, dem Massaisymbol des Friedens, und sangen mit ihren Altstimmen die Harmonie zu dem Bass der Männer.
Sir Percy, in der offiziellen Khakiuniform und der mit Litze besetzten Mütze des Protektorats, ritt vor seiner Eskorte, das Kinn und die Hängebacken vorgereckt, und sein Bauch wackelte im Kontrapunkt zum Schrittrhythmus seiner braunen Stute. Direkt hinter ihm kam sein Assistent Charles Fothergill, ein fantasieloser Mann, der sich damit zufrieden gab, die verbliebenen Tage seiner Laufbahn im öffentlichen Dienst im Schatten seines Vorgesetzten zu verbringen.
Ein Mann, der die breite Krempe eines grauen Filzhuts vorn und hinten nach unten gezogen hatte und dessen dunkles, lockiges Haar ihm bis auf die breiten Schultern fiel, ritt neben dem Gouverneur. Der tiefe Bronzeton seines Gesichts und die eher vom Lachen als vom Alter hervorgerufenen bleichen Linien an den Mund- und Augenwinkeln kennzeichneten ihn als einen Mann, der viel Sonne gesehen hat. Er trug keine Uniform, aber so, wie er dort auf dem großen schwarzen Hengst saß, wirkte er wie jemand, der daran gewöhnt war, Befehle zu geben. Der Hengst tänzelte nervös, und der Reiter beugte den Kopf tief über die Zügel,
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