Die Tränen der Massai
Aktivitäten seiner Behörde in dem Bereich, wo ihre Schmuggeloperation ihren Mittelpunkt hatte, im Auge behalten konnte. Und er hatte deutlich gemacht, dass er James sofort durch einen anderen seiner vielen Neffen ersetzen würde, falls er nicht mit allen Problemen in der Region von Isuria fertig werden könnte.
Onditi schob ruckartig die Tür zur Treppe auf und erschreckte damit einen anderen Angestellten, der ihn erbost anstarrte. Er ignorierte den Mann und ging die Treppe hinunter. Onkel Nicholas hatte keine Ahnung, wie schwierig ihr Kontaktmann in Isuria war – ein Parteibonze, der eine viel zu hohe Meinung von seinen Fähigkeiten und seiner Wichtigkeit hatte. Aber Onkel Nicholas hatte diesen Mann aus irgendeinem unerklärlichen Grund ausgewählt, und daher blieb James nichts anderes übrig, als mit ihm zurechtzukommen. Wenn er bei dieser neuen Sache Erfolg haben wollte, musste er dafür sorgen, dass der Bonze in Isuria mitspielte. Um alles noch schlimmer zu machen, wollte der Kerl auch noch, dass Onditi seine verschollene Tochter suchte, eine Ausreißerin, mit der er noch eine Rechnung zu begleichen hatte. Ein seltsamer Mann – er hatte tatsächlich angedeutet, dass es ihn nicht stören würde, wenn Onditi mit der Tochter ins Bett ginge.
Er bog um die Ecke zum Konferenzraum.
»Jack Morgan, UNDP «, sagte der
Mzungu
und streckte die Hand aus.
Onditi ergriff sie und war überrascht über den festen Händedruck. »Onditi«, sagte er und führte den Mann in den Besprechungsraum.
Der Mann war jünger, als Onditi erwartet hatte. Wie alt mochte er sein? Fünfunddreißig? Vielleicht noch jünger. Es fiel ihm immer schwer, das Alter von
Wazungu
zu schätzen. Aber wie auch immer, dieser Jack war jünger als die anderen UN -Leute, die er während seiner Zeit im Amt kennen gelernt hatte. Käseweiße Männer mit
Unga
in den Adern. Nach allem, was er wusste, hatten sie auch Maismehl in ihrem
Mapumbo.
Aber dieser hier hatte ein wenig Eisen in sich. Es glitzerte in seinen Augen und hinter dem knappen Lächeln, mit dem er Onditi beim Händedruck bedachte.
»Bitte setzen Sie sich.« Onditi zeigte auf den Stuhl, der der Tür am nächsten stand, und ging dann entschlossen zum anderen Ende des langen Tischs. Er holte tief Luft und versuchte, sich zu sammeln, während er an seinen Papieren herumnestelte. Der weiße Mann am anderen Ende des Tischs blätterte lässig in seinem Aktenordner.
»Danke, dass Sie Zeit für mich haben, Mr. Onditi. Kann ich direkt zum Thema kommen?«
Typische
Mzungu-
Unhöflichkeit, dachte Onditi. Sie warteten nie auf eine Einladung, bevor sie begannen. Sein Zorn regte sich erneut.
»Wir haben uns am Achtzehnten letzten Monats schriftlich an Ihr Amt gewandt.« Dann ging er alle langweiligen Einzelheiten ihres Projekts durch. »Kurz gesagt, die UN werden sich um die landwirtschaftliche Seite der Dinge kümmern, AmericAid um die Gesundheitsaspekte. Aber wir brauchen Hilfe, was die Transportmittel angeht.«
»Und Sie glauben, die Nationalparkverwaltung kann helfen«, sagte Onditi und verschränkte die Arme.
»Richard Leakey war bereits so freundlich, uns seine Hilfe anzubieten.«
Onditi achtete sorgfältig darauf, keinerlei Schärfe in seine Stimme einfließen zu lassen, als er sagte: »Professor Leakey ist ein sehr großzügiger Mann.« Er wartete nicht auf eine Antwort. »Sagen Sie mir, Mr. , äh …« Er warf einen Blick auf die Visitenkarte. »Mr. Morgan. Warum geben sich die Vereinten Nationen mit dieser Koordinationsarbeit ab? Normalerweise kümmert sich das Amt für regionale Entwicklung um solche Einzelheiten.«
»Sagen wir einfach, dass wir große Anstrengungen in dieses Projekt in der Region von Isuria stecken. Wir wollen dafür sorgen, dass der Nutzen auch die richtigen Empfänger erreicht …«
Die Muskeln an Onditis Kinn spannten sich an.
»… und zwar auf die effizienteste Weise«, schloss Morgan mit einem dünnen Lächeln. »Allerdings haben weder die UN noch AmericAid Transportmittel zur Verfügung.«
AmericAid, dachte Onditi. Noch eine von diesen
Mzungu
-Organisationen, die ihre Nase in Angelegenheiten steckte, die sie nichts anging. Wieder musste er an das Massaimädchen denken.
Der weiße Mann fuhr fort. »Die Dokumente sind in Ordnung; es ist alles Routine, bis auf die Tatsache, dass wir die Transportmittel von der Nationalparkverwaltung erhalten könnten. Gibt es ein Problem damit, das in Ihrem Amt durchzusetzen?«
»Problem? Warum sollte es ein Problem
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