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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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der Vorstellung nie müde.
    Er zog sein kariertes Halstuch aus der Tasche. Vier Paar glänzend schwarze Augen, die das Feuerlicht reflektierten, folgten jeder seiner Bewegungen. Er hob und senkte das Tuch, und dann drehte er es um, um beide Seiten zu zeigen. Und dann – »Ta-ta!« – erschien eine Konservendose mit Essen unter dem Tuch. Die Kinder kicherten und klatschten in die Hände, und die Frauen, die hinter ihnen standen, sagten »Ai!«
    »Ta-ta!« Weitere Dosen erschienen. Bald schon standen beinahe ein Dutzend in einer Reihe neben dem Feuer.
    Als die Zauberei beendet war und die Kochtöpfe beinahe überquollen, löffelte Naisua dickes
Ugali,
den steifen Maismehlbrei, der bei den Swahilihändlern so beliebt war, in Holzschalen. Colvan fügte mit großer Geste das Dosenfleisch, Rind oder Hammel, hinzu. Die Kinder erhielten ein bisschen Milch von einer der wenigen Kühe, die noch Milch gaben.
    Als sie fertig gegessen hatten, was es Nacht. Sternschnuppen fielen am tintenschwarzen Himmel im Osten und Westen und berührten den Rand des Tals, sechshundert Meter über dem Talboden. Im Norden und Süden verschwanden sie in dem schwachen Leuchten, das immer noch am Horizont klebte.
    Die Kinder gingen mit vollen Bäuchen und zufrieden zu Bett. Die Schwester-Frauen folgten ihnen bald zu den schlichten Schlafstellen, die sie für diese Nacht vorbereitet hatten.
    Colvan zog einen rußigen Topf aus seinem Gepäck und goss ein wenig von dem kostbaren Wasser hinein.
    »Möchtest du einen Tee, Naisua?«, fragte er, als das Wasser kochte.
    »Tee? Was ist Tee?«
    »Ein sehr beliebtes Getränk, das aus diesen trockenen Blättern und kochendem Wasser bereitet wird.«
    »Ist es modern?«
    »Nein. Es gibt Tee schon viele, viele Jahre. Ein Engländer kann nicht lange ohne Tee existieren, aber ich hatte bis vor kurzem Schwierigkeiten, welchen zu erhalten.«
    »Nun, für eine Massai ist Tee etwas Neues. Ich werde ihn versuchen.«
    Er goss den Tee in zwei kleine Blechtassen und reichte ihr eine davon. »Vorsicht, er ist sehr heiß.«
    »Uh. Es schmeckt bitter!«
    »Gieß ein wenig Milch hinein. Das könnte helfen.«
    »Helfen? Warum helfen? Ihr Engländer seid seltsam. Wenn Tee ein so gutes Getränk ist, sollte es keine Hilfe brauchen.«
    »Es ist nur so ein Ausdruck.« Er lächelte und pustete in seinen Becher, bevor er einen Schluck trank. »Und ich muss zugeben, ich habe schon besseren Tee gekocht. Es muss am Wasser liegen.«
    »Ich denke, ich werde Tee mögen. Bis dahin benutze ich die Hilfe.« Sie lachten, als Naisua nach dem Milchgefäß griff.
    Danach tranken sie schweigend ihren Tee. Hinter dem Lichtkreis des Feuers waren die Geräusche des Viehs zu hören, das in dem rasch errichteten Behelfspferch schnaubte und sich beschwerte. Weiter draußen in der Nacht erklang erst ein Brüllen, dann ein Kreischen von Schmerz oder Angst – der Jäger und die Gejagten.
    »Der Löwe kommt näher. Ich muss zum Vieh gehen.« Sie stellte ihren Becher hin.
    »Ich komme mit«, sagte er.
    Sie gingen an dem
Boma
mit dem Dutzend Kühen und der kleinen Schaf- und Ziegenherde entlang. Der Mond war nicht voll, aber am wolkenlosen Himmel genügte er, um den Weg zu beleuchten.
    »Ich glaube nicht, dass euer
Boma
einen Löwen fern halten wird.«
    »Nein, das ist unwahrscheinlich. Es gibt hier in der Nähe nur wenige Dornenbüsche, und wir hatten keine Zeit, ein starkes
Boma
zu errichten. Also müssen wir Wache halten, meine Schwester-Frauen und ich. Ein Löwenrudel könnte das Vieh durch den
Boma-
Zaun treiben. Es wäre ein Festessen für sie.«
    »Wie kommt ihr Frauen allein gegen Löwen an?«
    »Löwen mögen unser Vieh, aber uns, die Massai, mögen sie überhaupt nicht. Und es sind nicht nur die
Moran,
die sie fürchten. Wir können sie fern halten, wenn wir die ganze Nacht Wache halten. Ich schlafe, wenn der Mond dort drüben steht.« Sie zeigte auf einen Punkt am Nachthimmel. »Dann wird eine der anderen Wache halten.«
    Sie gaben sich einige Zeit damit zufrieden, zu schweigen, und gingen um den kleinen Viehpferch herum, dann sah Naisua Colvan an. »Colvan, du bist ein guter Mann. Du hilfst uns sehr. Warum?«
    Ihre Offenheit überraschte ihn jedes Mal aufs Neue. »Nun, ich … ich bin als Verbindungsmann für die Umsiedlung zuständig. Du gehörst zu meiner Herde.«
    Sie waren an einem kleinen Teich stehen geblieben, den schwindenden Überresten eines Bachs. Das melancholische Quaken eines Froschs wurde von einem anderen Frosch weiter entfernt

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