Die Tränen der Massai
das durch Seide schneidet, durch ihre Kehle fuhr. Dann gurgelte sie und starb, und ihr Blut wurde in einer Kürbisflasche aufgefangen. Kubai schnitt die Brust des Tieres auf und holte Herz, Lunge und Leber heraus. Sein Helfer, der nun mit einer Machete aus dem Schatten kam, schnitt die Vorderbeine der Ziege ab und benutzte Kubais Klinge, um das Tier vom Anus bis zur Kehle aufzuschlitzen. Mit ein paar weiteren Schnitten war die Haut rasch in einem Stück abgetrennt. Der Mann breitete sie auf dem Boden aus und schnitt einen langen dünnen Streifen vom Rand, bis die Spirale die Mitte erreichte. Kubai nahm den Hautstreifen und verknotete seine Enden, so dass er einen großen Kreis bildete, in dem er die Männer sammelte.
Mengoru knackte mit den Knöcheln und versuchte, ruhig zu bleiben, während die anderen neun Männer initiiert wurden. Schließlich fiel Kubais wilder Blick auf ihn. Mengorus Kehle schnürte sich zu. Seine Oberlippe glänzte feucht im Licht des Feuers, und er verspürte den unerträglichen Drang, vor diesem Blick, der so viel sah, zurückzuweichen.
»Was bist du?«, fragte Kubai, und die Klinge schwebte über Mengorus nach oben gedrehtem Arm.
»Ich bin Mau-Mau!«, krächzte Mengoru, dessen gesamte Existenz vor Kubais unbeugsamer Präsenz zu einem winzigen Punkt reduziert wurde. Mengorus Lippe wurde weiß, als die Klinge langsam sieben Schnitte in seinen Arm machte, nach dem Aberglauben der Kikuyu eine böse Zahl. Kubai fügte ein paar Tropfen von Mengorus Blut zu dem der anderen hinzu, tauchte einen Finger in die Schale und zeichnete damit das Kreuz von Gikuyu und Mumbi, den mythischen Ahnen der Kikuyu, auf Mengorus Stirn.
Mengoru war übel geworden, aber es gelang ihm, sieben Bisse der dampfenden Ziegeneingeweide zu essen, bevor er den Kreis verließ, wie die anderen es zuvor getan hatten, um durch den Torbogen zurückzukehren, wiedergeboren als Mau-Mau.
Kubai wischte die Klinge im Gras ab und befahl ihnen zu essen. Die Zeremonie war vorüber.
Mengoru ging um die Tische mit
Ugali
und
Matoki-
Eintopf herum. Er hätte gerne etwas zu trinken gehabt. Aber das Schlimmste war vorüber, er war nun ein eingeschworenes Mitglied der verbotenen Geheimgesellschaft. Mit seinem Schwur hatte er sich verpflichtet, die weiße Macht in Kenia zu stürzen und afrikanisches Land, das in den letzten fünfzig Jahren gestohlen worden war, zurückzuerobern.
Er sah sich um, um sich zu überzeugen, dass man ihn nicht beobachtete, dann wischte er sich mit einem Bananenblatt das Blut vom Arm. Dennoch kam er zu dem Schluss, dass diese Mitgliedschaft all die Arbeit und die Schmerzen wert war. Wenn die Bewegung erst an die Macht gelangte, würde er ein großer Mann sein. Er würde für alles, was er getan hatte, belohnt werden.
Aber dann hatte es keine Belohnung gegeben. Nicht für Mengoru und nicht für die Mau-Mau.
Als klar war, dass Kenyatta sich von den Mau-Mau distanzierte, handelte Mengoru.
Er desertierte. Er marschierte einfach eines Morgens aus dem Lager, und zwei Tage später war er ein stolzer Angehöriger der Home Guard. Angesichts der eskalierenden Mau-Mau-Aktivitäten hatten die Briten begonnen, Eingeborene zu rekrutieren. Sie wurden vor allem eingesetzt, um die Dorfleute zu bewegen, die Terroristen unter ihnen zu verraten.
Die Belohnungen waren nicht so großartig, wie Mengoru gehofft hatte; manchmal war die Beute nur gering. Aber hin und wieder konnte er eine süße Frucht vom Baum stehlen. Wie damals, als man ihn in die Aberdares geschickt hatte, um dort Lager der Mau-Mau zu finden und zu vernichten – eine klassische Search-and-Destroy-Mission.
Er erinnerte sich daran, wie schlecht das Wetter gewesen war. Nebel war aus dem felsigen Tal aufgestiegen und hatte den Berg hinter einem grauen Umhang verborgen. Mengorus Einheit betrat eine kleine Lichtung an einem sanften Hang zwischen dem Wald und der von Nebel erfüllten Schlucht. Der Offizier ließ sie eine Pause einlegen, weil er die neu eingetroffenen Befehle lesen wollte. Die Männer verteilten sich auf der Lichtung und unterhielten sich im Flüsterton, als wären sie in einer Kirche.
Aus der Stille im Tal erklang ein Rascheln, kaum zu unterscheiden von dem Geräusch, das die Baumwipfel hoch über ihnen im Wind verursachten. Aber es wurde eindringlicher. Die Männer begannen in Deckung zu gehen, suchten in dem flachen grauen Tuch des Nebels nach einem Hinweis auf die Ursache des Geräuschs, knöpften die Jacken zu und klappten die Kragen hoch.
Die Bö
Weitere Kostenlose Bücher