Die Tränen der Massai
Männer rannten auf den Dschungel zu. Sie wurden erschossen, bevor sie ihn erreichten. Die Dorfleute wurden in die Mitte ihres Kreises wackliger Hütten getrieben. Die Home Guard nahm ihnen systematisch alles ab, was von Wert war. Ein paar alte Männer schrien den Soldaten Beleidigungen zu, aber Schläge brachten sie rasch zum Schweigen. Danach gab niemand mehr einen Laut von sich.
Mengoru stolzierte mit einem schiefen Grinsen durch das Dorf. Als er zusammenzählte, was diese kleine Siedlung ihm einbringen würde, wurde sein Grinsen breiter, so dass man seinen Goldzahn sehen konnte – eine Extravaganz, die er sich nach einem besonders lukrativen Überfall geleistet hatte.
Eine Familie, eine Mutter und ihre beiden Töchter, wurden aus ihrer Hütte geschubst. Eines der Mädchen, nicht älter als zehn, fiel vor Mengorus Füße. Er drückte sie mit dem Stiefel auf den Boden, als sie aufzustehen versuchte. Ihre Mutter packte Mengoru am Arm, aber er versetzte ihr einen Schlag mit dem Gewehrkolben. Dann packte er eine Hand voll des gelockten Haars des Mädchens und zerrte sie zurück in die Hütte.
»Raus!«, fauchte er die beiden Soldaten an, die einen kleinen Haufen von Gegenständen durchwühlten. Er schleuderte das Mädchen in den hinteren Teil der Hütte. Sie beobachtete ihn wie eine vom Blick einer Kobra hypnotisierte Maus, bevor sie erst hierhin, dann dahin schoss, um zur Tür zu gelangen.
Für einen großen Mann war Mengoru schnell. Er packte das Mädchen um die Taille und riss sie hoch. Die Kleine trat mit nackten Füßen in die Luft. Mengoru lachte und warf sie aufs Bett. Sie sprang auf und versuchte noch einmal, die Tür zu erreichen. Mengorus Gesicht wurde dunkel vor Zorn. Er fauchte, als er sie am Haar packte, er riss sie zu sich herum und schlug sie fest auf den Mund.
Das Mädchen flog rückwärts gegen die Wand und sackte ohne einen Schrei zusammen.
Mengoru zog langsam den Mantel aus und schnallte den Gürtel auf.
Kapitel 12
Aus Peabodys Ostafrikaführer (5. Auflage):
Seit der Zeit der alten Ägypter hat das Geheimnis des Nils Geographen und Wissenschaftler fasziniert. Jahrhundertelang konnten sie sich nicht erklären, wieso der Nil Hochwasser haben konnte, wenn alle bekannten Regionen an seinem langen Lauf gleichzeitig ihre trockenste Zeit erlebten.
Die Antwort lag weit entfernt in Zentralafrika, wo gewaltige Regenfälle das riesige Reservoir des Viktoriasees füllten.
M alaika fühlte sich nach der Dusche gleich viel besser. Sie drückte das Wasser aus den Zöpfen, dann wickelte sie sie in ein Handtuch.
Die Zugfahrt von Nairobi hatte beinahe den ganzen Tag gedauert. Als der Zug den Mau-Steilabbruch erreichte, war er wegen der Steigung und den Haarnadelkurven nur noch im Schritttempo gefahren. Etwa zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Mann aus Uganda auf ihre Seite des Abteils gesetzt und versucht, sich mit ihr zu unterhalten.
Er war ein hoch gewachsener, dünner, kahl werdender Geschäftsmann mit verfärbten Zähnen und schlechtem Atem gewesen. Wahrscheinlich glücklich verheiratet in Kampala. Seine halbherzigen Versuche, sie zu verführen, hätten Malaika normalerweise nicht gestört – man konnte in Ostafrika keine junge Frau sein, ohne beinahe jeden Tag solche Angebote abwehren zu müssen. Aber der Mann hatte ein vage Ähnlichkeit mit dem Onkel, bei dem sie in der ersten Zeit in Nairobi gewohnt hatte, und das verursachte ihr eine Gänsehaut.
Sie wusste, dass er keine Bedenken gehabt hätte, seine Frau zu betrügen. Mehr als nur eine Frau zu erobern, das war der afrikanische Weg. Für viele war Polygamie erlaubt. Die anderen hatten für gewöhnlich eine Ehefrau und eine Anzahl von Freundinnen und genossen alle Freuden ohne die zugehörige Verantwortung.
Malaika nahm ihren schwarzen Rock aus dem Koffer und versuchte, die Falten herauszuschütteln, dann setzte sie sich auf die Bettkante, um ihre Zöpfe trocken zu tupfen.
Ja, dachte sie, afrikanische Männer haben die Macht. Das war eine Tatsache, die afrikanische Frauen gleichzeitig anzog und abstieß. In Malaikas Fall war es nur Letzteres. Sie hatte nie einen Afrikaner mit auch nur einer Spur von Einfühlungsvermögen erlebt, wenn man von Jais Vater, Doktor Hussein, einmal absah, der ohnehin indischer Herkunft gewesen war. Der einzig wirklich sanfte schwarze Mann, den sie je kennen gelernt hatte, war ihr Stiefvater Hamis. Aber das war so lange her, dass sie sich kaum erinnern konnte. Für gewöhnlich waren die Männer wie James
Weitere Kostenlose Bücher