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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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Sie hatte die Augen weit aufgerissen und versuchte, ihr Wimmern zu ersticken, indem sie alle vier Finger einer Hand in den Mund steckte. Penina wagte nicht, ihre Tochter zu trösten. Sie hatte Angst, dass jede Bewegung Mengoru noch mehr erzürnen würde. Vielleicht würde er ja einschlafen, wenn er mit seiner Tirade fertig war.
    »Schön für dich, allein zu sein«, fuhr er fort, und die Bosheit in seiner Stimme wuchs. »So kannst du dich mit deinen Liebhabern treffen, nicht wahr?«
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an, schluckte aber jeden Widerspruch hinunter. Ihm nicht zuzustimmen war gefährlich.
    »Du bist überrascht, dass ich es weiß, wie? Du Schlampe! Glaubst du, ich weiß nicht, was in meiner eigenen Hütte passiert?«
    Malaikas jämmerliches Wimmern wurde für Penina unerträglich. Sie bewegte sich langsam auf die Ecke zu, wo ihre Tochter sich zusammengerollt hatte, aber Mengoru fing sie ab und zerrte an ihrem Obergewand. Es riss es von ihren Schultern, als er sie gegen die Wand schleuderte, wo sie mit dem Kopf gegen einen Stützbalken stieß.
    Der Hirsetopf zerbrach auf dem Boden.
    Malaika stieß einen durchdringenden Schrei aus.
    Mengoru zog die Schultern nach vorn und stampfte auf Penina zu, das Gesicht höhnisch verzogen. »Glaubst du, ich weiß es nicht? Schlampe! Nun, ich hoffe, du hast den Kunono
mboro
in dir genossen, denn es wird der letzte sein, den du je hattest.«
    Sie klammerte sich an die Wand und versuchte, das Klirren in ihrem Kopf abzuschütteln. Bevor sie ausweichen konnte, traf er sie an der Wange, und sie flog durch die Hütte und fiel auf die Bettplattform.
    Malaikas Schreie wurden hysterisch.
    Mengoru riss Penina die Kleidung herunter, als sie versuchte, vom Bett zu kriechen, und schlug sie abermals. Sie fiel nach hinten, und nur die wachsenden Wolken der Bewusstlosigkeit verhinderten, dass sie floh. Mengoru fiel auf sie wie ein schwerer Sack.
    Penina öffnete ein Auge. Ihre Großmutter stand über Mengoru gebeugt, eine schwere Kriegskeule in der Hand, und wartete darauf, dass er sich wieder regte. Er tat es nicht.
    Eine Gestalt stürzte in die Hütte. Naisua fuhr herum und hob die Keule zu einem weiteren Schlag. Es war Hamis. Er rannte zu Penina und riss den bewusstlosen Mengoru von ihr weg. Er nahm sie sanft in die Arme. Penina begann zu schluchzen und klammerte sich an ihn.
    Naisua ließ die Keule fallen und ging zu Malaika. Die Kleine schlug mit den Fäusten auf ihren eigenen Kopf ein, die Augen fest geschlossen. Naisua umarmte sie, während das Schluchzen ihren Körper schüttelte.
    Hamis hielt Penina fest umarmt.
    »Bring mich weg, bitte«, sagte sie. »Nimm mich mit dir.«
    »Es ist alles in Ordnung. Still. Selbstverständlich bringe ich dich weg. Still, still, ich bin hier. Ich nehme dich mit.«
    »Ihr müsst euch beeilen«, sagte Naisua, die versuchte, das zitternde Kind hochzuheben, das sich immer noch fest zusammengerollt hatte. »Er wird nicht lange schlafen, und seine Schläger sind hier im Dorf.«
    »Kannst du den Jungen holen?«, fragte Hamis Naisua. »Wir brechen sofort auf.«
    Sie nickte und schob Penina die schluchzende Malaika in die Arme. Hamis umarmte Mutter und Tochter.
    Als Penina sich angezogen und ihren geringen Besitz in eine gewebte Tasche gesteckt hatte, kehrte Naisua mit dem Jungen zurück. Er sah seinen Vater an, der leblos auf dem Bett lag. Dieses eine Mal rannte seine Schwester nicht sofort auf ihn zu, sondern blieb mit weit aufgerissenen Augen in der Ecke sitzen, die Finger in den Mund gesteckt. Penina begann zu erklären, was sie vorhatten. Sie wählte die Worte vorsichtig, denn es war in der letzten Zeit nicht einfach gewesen, mit ihrem Sohn zu kommunizieren. Es war so absurd, dass sie beinahe den Mut verlor. Ihr Dorf mit einem anderen Mann zu verlassen – und ausgerechnet mit einem Kunono – war absurd. Ihr Sohn war zehn Jahre alt, ein Alter, in dem man erwartete, dass ein Junge die meiste Zeit im
Manyatta
der
Moran
verbrachte und lernte, was ihn als Krieger erwartete. Seine Abwesenheit hatte ihm Mengorus schlimmste Ausbrüche erspart.
    Der Junge lauschte schweigend, als seine Mutter ihm ihre Pläne erklärte. Dann sagte er: »Ich komme nicht mit«, und richtete sich auf.
    »Aber du musst mitkommen. Ich kann dich nicht hier bei ihm lassen.« Penina nahm die Hände ihres Sohnes, versuchte, ihn mit der Intensität ihres Griffs umzustimmen.
    »Mutter, ich werde bald beschnitten. Ich werde ein Mann sein. Es ist alles schon arrangiert. Wenn ich mit dir

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