Die Tränen der Massai
verbergen, und bemerkte sein schweres Gepäck. »Wohin gehst du heute?«
»Nach Kisii. Ich bin hier fertig. In Kisii gibt es für gewöhnlich genug Arbeit, und dann ziehe ich weiter nach Narok, Nakuru und Kericho.«
Penina stand auf und wischte den Staub von der Schürze, um zu verbergen, wie enttäuscht sie war.
Er griff in sein Gepäck und holte ein Schmuckstück heraus. »Bis dahin würde ich mich freuen, wenn du dieses schwere Schmuckstück behalten könntest, um mir meine Last zu erleichtern.« Der Armreif war aus Kupfer, das er wie Leder zu einem breiten Band geflochten hatte. Dünne Drähte aus weißem Metall waren mit dem Kupfer verbunden und bildeten kunstvolle Muster in der Mitte und an den Rändern. Penina schob den Reif an ihrem Arm bis zum Ellbogen. Er passte perfekt. »Aber es ist viel zu schön!«
»Wie die Kleine, die es trägt.«
Sie erwartete, dass er sie wieder necken würde, aber seine Miene war ernst. Sie sah den Reif an. »Du bist … Wohin gehst du jetzt?«
»Ich habe dir doch gesagt, nach Kisii.«
»Ja, selbstverständlich.«
»Ich werde auf meinem Weg nach Westen wieder hier vorbeikommen. Auf meinem Weg nach Hause, nach Mwanza.«
»Hast du dort eine Frau?« Sie wandte die Aufmerksamkeit ihren Fingerspitzen zu.
»Nein«, sagte er lächelnd. »Nur meinen schlecht gelaunten alten
Babu.
Meine Nachbarn passen auf ihn auf, wenn ich auf
Safari
bin, aber ich mache mir Sorgen. Er ist ein bisschen seltsam, seit meine Mutter gestorben ist.«
»Nun, vielleicht sehe ich dich ja, wenn du vorbeikommst.«
»Dafür werde ich schon sorgen.« Er lächelte sie an und bückte sich, um seine Sachen zusammenzusuchen. Sie beobachtete, wie seine Muskeln spielten, als er das Gewicht hob. Sie mochte seinen großzügigen Mund. Und dieses Lächeln.
»Nun …«, sagte er. Sie wusste, dass er darauf wartete, dass sie ihn ansah, aber sie war zu schüchtern. Stattdessen schaute sie ihre Fingerspitzen an.
»Kwaheri«,
sagte er zu ihrem gesenkten Kopf.
»Ja. Leb wohl.« Sie blickte zu ihm auf, als er schon weiterging. Am
Boma-
Tor drehte er sich noch einmal um und bemerkte, dass sie ihm nachschaute. Wieder lächelte er. Sie winkte und fragte sich, ob er auf dem Weg nach Mwanza – wo immer das sein mochte – wirklich noch einmal vorbeikommen würde.
Kapitel 14
Aus Peabodys Ostafrikaführer (5. Auflage):
Mögest du eine Hand aus Leder haben. (Massaifluch, der sich auf Schwielen bezieht. In anderen Worten: Mögest du das Leben eines Arbeiters oder eines Bauern führen.)
1971
Die Hügel am Fuß des Steilabbruchs in Isuria hatten begonnen, den grünen Schimmer zu verlieren, den sie in den vorangegangenen Wochen gehabt hatten. Das Gold des sterbenden Grases auf den Kämmen würde sich bald weiter nach unten ausbreiten und die Ebene mit den verbrannten Farben der Trockenzeit überziehen.
Malaika rannte vor ihrer Mutter her und reichte ihr die Stücke Holz, die sie fand. Penina hob das Holz über den Kopf und ließ es in den Korb auf ihrem Rücken fallen. Aber sie dachte dabei nicht an Feuerholz. Sie ging ziellos hoch oben auf den Hängen des Tals umher und sah nicht die Schönheit der goldenen Savanne, die sich in sanften Wellen bis zum violetten Hitzedunst auf der anderen Seite des Grabenbruchs erstreckte. Sie sah nicht die Felsen über ihnen, um die ein paar kreischende Adler kreisten. Sie bemerkte nicht einmal die Fliegen auf dem trocknenden Blut an ihrem blauen Auge.
Im Herzen hatte sie sich von der grausamen Welt von Isuria entfernt. Selbst in den schlimmsten Tagen nach der Heuschreckenplage war sie nicht so hoffnungslos gewesen. Als ihre Mutter und ihre neugeborene Schwester begraben worden waren, hatte sie zum ersten Mal im Leben echte Trauer verspürt. Es war nur schwer zu ertragen gewesen, aber Penina hatte auch gewusst, dass es vorübergehen würde. Und obwohl diese Tode für alle Dorfbewohner eine Katastrophe gewesen waren, hatte sie Kraft aus dem Gedanken gezogen, dass sie Teil des Lebenskreislaufs in diesem gnadenlosen Land waren und dass es auch wieder bessere Zeiten geben würde.
Aber nun hatte ihr Leid nichts mit den Pendelschwüngen des Glücks zu tun, das gleichermaßen Gutes und Böses brachte, sondern mit den grausamen Manipulationen eines gemeinen und widerwärtigen Mannes.
Mengoru wurde immer brutaler. Manchmal wurde seine Gewalttätigkeit durch eine echte oder eingebildete Beleidigung ausgelöst, manchmal hatte es damit zu tun, dass einer seiner vielen Pläne vereitelt worden war,
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