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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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unsere Herden nach Süden trieben, wie die Briten es verlangt hatten. Er arbeitete für sie, aber er hasste es, wozu sie uns zwangen.
    Einmal gingen wir für drei Tage zum Baringu-See. Ich erinnere mich immer noch an das kühle Wasser und die Stille des Sees. Die Flusspferde spielten im Ried. Das süße kurze Gras mit seinen winzigen Blüten. Und nur wir beide …« Ihre Stimme verlor sich. »Das war ein Mann, den ich mit meinem ganzen Körper geliebt habe. Nicht nur …
dort.«
    Penina ließ ihre Großmutter im Schweigen versinken und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Kochfeuer zu. Plötzlich sagte sie: »Ich will den alten Weg nicht für meine Tochter. Es ist mir egal. Ich will nicht, dass sie beschnitten wird.«
    Naisua schob die Hand in die Hand ihrer Enkelin. »Dann werden wir, du und ich, dafür sorgen, dass das nicht geschieht.« Und sie nickte, als wüsste sie genau, wie sie sich den Anforderungen des Stammes widersetzen konnten.
     
    Eine Wolkengruppe hing über dem westlichen Talrand und warf große dunkle Schatten auf das weit entfernte Gras, das vom Regen der vergangenen Wochen üppig grün geworden war. Penina summte leise, während sie das Ziegenfell zurechtschnitt. Die Luft war hell und sauber, und wenn die Morgensonne durch die Wolken brach, wurde es warm. Es war ein guter Tag, um Häute zu strecken.
    Der Kunonomann war in der nächsten Hütte. Sie tat so, als bemerkte sie ihn nicht, während er mit seinen Hämmern und Eisenstücken arbeitete. Er war seit vielen Tagen im Dorf und schleppte seinen Sack mit den Metallgegenständen und Werkzeugen auf den muskulösen Schultern von einer Hütte zur anderen. Penina bemitleidete den Kunonostamm, der das Ziel vieler Massaiwitze war, die die Männer mit großer Heiterkeit und in Hörweite des Schmieds erzählten. Aber Hamis ignorierte die Bemerkungen mit gutmütigem Lächeln und schlug einfach weiter auf die Speerspitze oder das Brandeisen ein, an denen er arbeitete. Nach ein paar Tagen hatten die Massai genug von den Witzen und ließen ihn in Ruhe arbeiten.
    Penina war zunächst verlegen gewesen, als Hamis immer wieder höflich versucht hatte, sie in ein Gespräch zu ziehen, aber dann amüsierte es sie. Und als er jetzt seine Last auf die Schulter hob, freute sie sich, ihn näher kommen zu sehen.
    »Jambo, mtoto
Penina«, sagte er auf Swahili und legte seine Last neben ihrem Ziegenfell ab.
    »Jambo,
Hamis. Und wenn du nicht aufhörst, mich ein ›kleines Kind‹ zu nennen, werde ich dich mit einem deiner schönen Hämmer schlagen.« Peninas Swahili war dank der Unnachgiebigkeit ihrer Großmutter nicht schlecht. »Ich bin ganz bestimmt kein
mtoto.«
    Hamis lachte; ein wunderbares grollendes Geräusch tief in seiner breiten Brust. Er zeigte eine Reihe gerader weißer Zähne. »Komm schon, Penina, das darfst du mir nicht übel nehmen. Wenn ich jemanden von deiner Größe sehe, jemanden, den ich leicht mit einer Hand vom Boden heben und den Mount Kenya hinauftragen könnte, sehe ich nichts als
mtoto.«
    Gegen ihren Willen musste sie lächeln.
    »Aber ich kann dich auch
Mama
nennen, wenn du das vorziehst.«
    »Nein, danke, ich finde, dafür bin ich noch zu jung. Um ehrlich zu sein, ich kann manchmal nicht glauben, dass ich überhaupt schon Mutter bin.«
    »Ja, du bist zu jung. Du solltest draußen sein und die Welt kennen lernen. Bist du je in Narok gewesen?«
    »Selbstverständlich!«
    »Und was ist mit Nairobi?«
    »Nein.«
    »Kisumu?«
    »Nein, auch nicht in Kisumu. Aber Mengoru nimmt uns vielleicht im
Matatu
mit nach Kisii, wenn der Sohn meines Vetters nächsten Monat beschnitten wird.«
    »Sei vorsichtig mit diesen lärmigen, stinkenden
Matatus.
Die Fahrer sind allesamt geldgierige Jungen, die viel zu schnell fahren, um so viele Kunden wie möglich zu bekommen. Kisii ist ein netter Ort. Es wird dir gefallen. Aber du solltest auch nach Kisumu gehen … Du solltest die Häuser dort sehen!«
    »Ja?« Ihre Augen wurden groß
    »O ja. Sie haben sehr schöne Hotels in Kisumu.«
    »Größer als das in Narok?«
    »Viel größer. Und auch besser. Ich schwöre, sie haben dort Fußböden aus poliertem Stein! Und Tische mit Glasplatten. Und so viel Essen. Es gibt sogar eine Tanzhalle.«
    »Eine Tanzhalle?«
    »Ja. Junge Leute gehen dort tanzen. Jede Woche.«
    Sie hätte gern noch mehr über die Tanzhalle erfahren, aber es war ihr peinlich, zuzugeben, wie wenig sie wusste. Er kannte sich mit so vielen Dingen aus! Sie senkte den Blick, um ihre Verlegenheit zu

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