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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Nun war sein Lächeln verschwunden, und mit einem Schritt auf den Landrover zu schien er kurz davor zu sein, wieder zu gehen. Aber dann kehrte er zu ihr zurück, diesmal vielleicht mit angenehmeren Worten, den Kopf leicht schief gelegt. Sie gönnte ihm nicht mehr als einen kurzen Blick, bevor sie ihre Hände anschaute, ihre Finger konzentriert betrachtete. Der
Mzungu
sprach leise und hob eine Hand, um nach Westen zu zeigen, die Richtung, aus der die Reisenden den Bus erwarteten. Fünfzehn Augenpaare folgten seiner Geste. Die Straße war immer noch leer, wenn man von einer alten Frau, die eine Ziegenherde vor sich hertrieb, einmal absah. Der
Mzungu
nickte nach Osten, wo Nairobi lag, und zuckte die Achseln, bevor er die Hand in die Tasche steckte und mit der anderen zum Landrover deutete. Das Massaimädchen griff nach der Tasche und ging ohne ein weiteres Wort auf das Auto zu. Der
Mzungu
schüttelte bedächtig den Kopf und folgte ihr. Die vielen beobachtenden Augen bemerkten nur eine winzige Spur von Triumph in seinem Lächeln.
     
    Malaika wusste, sie hätte freundlicher sein sollen. Immerhin hätte es noch Stunden dauern können, bis der Bus kam. Es war nur, dass er auf solch ärgerliche Weise zu den unpassendsten Zeiten Recht hatte. Und nun saß er nahezu unerträglich lässig am Steuer.
    Auf den ersten sechzig Kilometern hinter Kisumu hatte Jack immer wieder versucht, ein Gespräch anzufangen. Er sprach über sein Auto und die Haushaltsgeräte, die in etwa einer Woche eintreffen würden, und wie froh er sein würde, dem Jacaranda Hotel und dem Verrückten zu entgehen, der ihn jeden Tag in seinem Auto mit ins Büro nahm. Malaika antwortete einsilbig. Seine Anstrengungen, ein einseitiges Gespräch weiterzuführen, ließen nach, als sie durch die ausgedehnten Teeplantagen des Hochlands zwischen den Provinzen Nyanza und Nakuru fuhren.
    »Wir sollten ganz in der Nähe von Kericho sein«, sagte Malaika nach einem etwa dreißig Kilometer dauernden Schweigen.
    »Ja?« In seiner Stimme lag eine Spur von Überraschung.
    »Ja. Tee. Kericho ist berühmt für seinen Tee.«
    »Es ist wunderschön hier. Ebenso wie in Kisumu. Selbstverständlich auf eine andere Art. Ich meine, Kisumu ist auf seine eigene Weise schön.«
    »Der Viktoriasee ist wunderbar.«
    »Ja! Wirklich, äh, wunderbar.« Wieder drohte unbehagliches Schweigen. »Aber Sie kennen das alles sicher schon.«
    »Ja.« Sie hielt inne. »Wenn auch nicht aus Kisumu.«
    »Oh? Woher denn?«
    Sie spürte, dass er sie ansah, als sie schwieg. »Mwanza«, sagte sie schließlich. »Ich bin in Mwanza aufgewachsen.«
    »Wo liegt Mwanza?«
    »In Tansania.«
    »Oh? Ich hatte Sie für eine Kenianerin gehalten.«
    »Das bin ich auch. Ich bin als Kind nach Mwanza gezogen. Sehen Sie«, sagte sie und zeigte nach Süden, »unser Pilotprojekt ist irgendwo dort drunten.«
    Jack schaute über die wogenden Hügel und Täler hinweg – es war grün, so weit das Auge reichte. »Habe ich nicht irgendwo gelesen, das Pilotprojekt läge in einer trockenen Region?«
    »Das tut es auch. Es ist im Rift Valley. Meilenweit entfernt. Die Leute dort drunten haben nichts, das diesem Grün vergleichbar wäre. Es sind nur kleine Leute.«
    »Kleine Leute?«
    »Ja. In Kenia haben wir große Leute – wichtige Leute wie die Politiker und Geschäftsleute.«
    »Wie die vom Provinzrat in Nyanza?«
    »Hm, nicht ganz. Jetzt wollen Sie mich necken! Und wir haben kleine Leute. Die
Wananchi.
All die anderen, die offenbar für die großen Leute nicht zählen.«
    »Ich verstehe.«
    »Der Grabenbruch ist voll mit kleinen Leuten. Kleine Bauernhöfe. Ein paar Rinder.«
    Jack schwieg eine Weile, dann sagte er: »Was ich damals gesagt habe – Sie wissen schon, dass das hier ein billiges kleines Projekt ist. Das habe ich nicht ernst gemeint. Es tut mir Leid, dass es so herauskam. Ich weiß, wie wichtig es für Sie ist … und ich fange an zu verstehen, warum.«
    Sie wollte ihm unbedingt glauben, als sie seine entschlossene Miene sah. Er erwiderte ihren Blick einen Moment, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
    Sie murmelte: »Das freut mich«, und war überrascht, dass sie diesen scheinbar unempfindlichen Mann offenbar so beeindruckt hatte, dass er glaubte, sich verteidigen zu müssen.
    Der Landrover keuchte über einen steilen, kurvenreichen Kamm. Jack schaltete herunter. Auf der anderen Seite folgte die Straße den Wellen der Teeplantage zu einer

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