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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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Sessel auf und ging zum Fenster. »Wenn du nicht zur Schule gehst, wie willst du je Ärztin werden? Wolltest du nicht Ärztin werden?«
    Malaika biss sich auf die Lippe, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und zupfte zerstreut den Afro zurecht, den sie seit Monaten wachsen ließ. Mit verzweifelter Miene sank sie tiefer in den Sessel. Hamis hatte ein Argument gefunden, das sie versucht hatte zu vergessen. Die entschlossenen Linien ihres Gesichts wurden weicher.
    »Du willst doch lernen.« Das war eine Aussage, keine Frage. »Also«, sagte er mit einem Blick zu Penina. »Was, wenn das nicht in Mwanza stattfinden müsste?«
    Penina blickte zu ihm auf. »Wie meinst du das, Hamis?«
    »Nun, ich denke, dieses Mädchen war nie eine gute Schülerin. Sie hat gute Noten, aber sie ist keine gute Schülerin. Bei mir war das anders. Ich war auch nie ein guter Schüler, aber ich bin auch durch alle Prüfungen gefallen. Deshalb habe ich diese hier.« Er zeigte ihnen seine großen schwieligen Handflächen. »Aber wenn Malaika Ärztin werden will oder etwas anderes Wichtiges, weiß sie, dass sie eine gute Schülerin sein und gute Noten haben muss.
Si ndio?«
Er schaute von der einen zur anderen und wartete auf eine Reaktion. »Ja«, sagte er schließlich selbst, als nichts geschah.
    Penina wartete darauf, dass er fortfuhr. Es war die längste Ansprache, die sie in den neun Jahren, seit sie Hamis kannte, von ihm gehört hatte.
    »Ich denke«, sagte er, »dass Malaika in der Schule hier unglücklich ist. Deshalb hat sie immer Ärger wegen Schlägereien und solchen Sachen.«
    Penina hoffte, dass dies nicht das Ende seiner Beobachtungen war, denn so viel wusste jeder, der Malaika kannte. Sie griff nach einem ihrer Perlenkissen und begann gereizt, es zu kneten.
    »Ich denke, Malaika ist sogar hier in Mwanza unglücklich, also glaube ich, dass sie …« Wieder warf er einen Blick zu Penina. »Dass sie in einer neuen Schule mit neuen Freunden und neuen Lehrern eine bessere Schülerin sein würde«, schloss er rasch.
    »Du meinst, sie soll von zu Hause weggehen?«, fragte Penina ungläubig. »Sie ist gerade erst fünfzehn!«
    »Im Kopf ist sie älter als fünfzehn. Sieh sie dir doch an.«
    »Ich brauche sie nicht anzusehen, um zu wissen, dass sie ein verantwortungsloses Kind ist. Sie braucht starke Eltern mehr als eine gute Schule. Du bist derjenige, der sie ansehen sollte, Hamis. Oder hast du keine Augen? Sie hat ständig Ärger oder tut gefährliche Dinge. Sie kann nicht mal zur
Duka
an der Ecke gehen, ohne in eine Schlägerei zu geraten!«
    »Sie streitet sich aus einem Grund. Und, ja, sie ist zu stolz und zu aufbrausend. Aber wenn sie Fehler macht, lernt sie daraus. Es bedeutet nicht, dass deine prophezeite große Tragödie über sie kommen wird.«
    »Hamis! Was …« Sie fuhr herum zu Malaika. »Malaika! Geh und hol deine Schwester aus Mama Salamas Haus«, fauchte sie.
    Malaika schob die Finger in ihr fedriges Haar und umklammerte es. Sie sah Hamis flehentlich an.
    »Geh!«, schrie ihre Mutter. Malaika ging und schlug die Tür hinter sich zu.
    »Hamis, wie meinst du das, dass ich eine Tragödie will? Ich mache mir Sorgen um Malaikas Sicherheit, weil sie achtlos ist. Aber du!« Sie stach mit dem Zeigefinger nach ihm. »Du weißt nicht einmal, wo sie ist. Du glaubst, sie kann auf sich selbst aufpassen und tun, was immer sie will. Du sagst, alles wird in Ordnung sein. Ganz egal, was geschieht.«
    »Sieh dich nur an, Penina. Kannst du dich selbst hören? Auch nach all diesen Jahren erwartest du immer noch, dass ein Berg auf uns fällt. Du machst dir solche Sorgen um diese Mädchen, du hast dein eigenes Leben vollkommen vergessen. Unser Leben. Hast du sie nicht gesehen, Penina? Sieht sie aus, als stünde ein Dämon davor, sie zu verschlingen? Und Ziada. Sie ist beinahe acht Jahre alt, aber du behandelst sie wie ein Kleinkind – ein Baby, das deine ununterbrochene Aufmerksamkeit braucht.« Es war ungewöhnlich für Hamis, die Stimme zu erheben, und er nahm sich wieder zusammen, bevor sie so laut wurde wie die seiner Frau. »Um Allahs willen, vergiss diesen Fluch! Es gibt keinen Fluch.«
    »Wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe, würdest du dich nicht auf deinen Allah berufen! Ich sage dir, der Fluch ist Wirklichkeit. Ich habe es gesehen. Aber hörst du mir zu? Nein! Oder du hörst zu, aber du willst es nicht verstehen. Der Fluch hat meine Mutter und meine kleine Schwester umgebracht.«
    »Der Fluch ist nichts, Penina. Nichts

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