Die Tränen der Massai
angefasst!«
Die anderen brüllten vor Lachen und begannen Malaika zu tätscheln und zu zwicken. Einer grabschte nach ihren knospenden Brüsten. Sie zupften an ihrer Schulkleidung. An der Tür angekommen, versuchte Malaika sich hindurchzuzwängen, aber die Jungen standen vor ihr. Ziada klammerte sich entsetzt an sie und heulte, als einer der Jungen die Hand in Malaikas Bluse steckte und sie dabei zerriss.
»Heh! Ihr Jungen! Was macht ihr da?«
Die Jungen fuhren herum, als sie die Stimme des Nachbarn hörten, was Malaika erlaubte zu flüchten. Die Sekunden, die sie brauchte, um die Tür aufzuschließen, waren eine Qual, aber dann riss sie die Tür auf, warf sie hinter sich wieder zu und lehnte sich keuchend mit dem Rücken daran.
Sie drückte Ziada an die Brust und flüsterte liebevolle Worte, um sie zu beruhigen, während sie gegen Tränen des Selbstmitleids ankämpfte. Sie würde sie nicht gewinnen lassen! Sie würde nicht schwach werden!
1980
Penina stand mit den Händen auf den Hüften mitten im Wohnzimmer und sah Hamis Unterstützung heischend an. Er saß im Sessel und fühlte sich offensichtlich unbehaglich, wie immer, wenn elterliche Disziplin vonnöten war. Er zog die Brauen hoch und zuckte die breiten Schultern. Sie hätte es wissen müssen, dachte Penina. Von ihm war keine Unterstützung zu erwarten.
»Und was hast du vor, wenn du nicht weiter zur Schule gehen willst?«, fragte sie Malaika, die mit gesenktem Kopf in einem Sessel saß. Die Diskussion hatte sich seit Stunden im Kreis gedreht, eigentlich schon seit Tagen. Seit Malaika angekündigt hatte, dass sie im nächsten Jahr nicht zur Mwanza East High School gehen würde. Oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt auf irgendeine andere Schule.
Malaika wirkte bedrückt, aber entschlossen, und Penina wusste, wie störrisch ihre Tochter sein konnte. »Oh, ich weiß es nicht! Ich werde schon etwas finden. Vielleicht kann ich euch auf dem Markt helfen.«
Ihre Mutter legte den Kopf schief. »Ha! Hast du das gehört, Hamis?«, fragte sie, ohne Malaika aus den Augen zu lassen. »Auf dem Markt helfen. Und das von einer, die schon stöhnt und sich beschwert, weil sie dort jeden Tag zwei Stunden helfen muss.«
»Nun, dann irgendwo in einem Laden.« Malaika spürte, dass sie einen Fehler gemacht hatte, sobald die Worte heraus waren. Sie fügte rasch hinzu: »Ich könnte in der Küche im Hotel arbeiten. Ich könnte Köchin werden.«
»Köchin!« Ihre Mutter breitete dramatisch die Arme aus, dann ließ sie sich auf das Vinylsofa sacken und wischte sich mit der Schürze die Stirn ab. Der elektrische Ventilator auf dem Sideboard bewegte die Luft kaum und klapperte am Ende jeder Seitwärtsbewegung erschreckend. Hamis hatte versprochen, einen Deckenventilator zu installieren, aber wie gewöhnlich war das nicht geschehen. Genauso war es mit dem Zaun vor dem Haus, dem kaputten Scharnier an der Toilettentür und der undichten Stelle im Dach über der Küche. Penina hätte noch mehr aufzählen können. Es war immer das Gleiche – morgen. Sie schüttelte den Kopf.
»Haki ya Mungu!«,
war alles, was sie murmeln konnte. O mein Gott!
»Mama! Du kannst mich nicht zwingen, in diese schreckliche Schule zurückzukehren. Ich hasse sie! Und sie hasst mich!«
Penina konnte sehen, dass ihre Tochter erwachsen wurde. Malaika war kein Kind mehr; sie hatte ihre erste Periode mit elf Jahren gehabt. Nun bewirkten ihre jungen Brüste, dass die Männer auf dem Markt die Köpfe drehten, und ihre langen Beine verliehen dem zuvor eher schlaksigen und ungeschickten Mädchen Anmut. Penina verstand, wieso Malaika gehen wollte. Sie war in Mwanza nie glücklich gewesen. Bei den meisten Schulaktivitäten wollte sie offenbar nichts mit ihren Mitschülern zu tun haben und zog es vor, an der Seite zu stehen. Nicht, dass es ihr an Fähigkeiten fehlte. Aber sie machte nur mit, wenn man sie zwang, und dann war sie bei ihren Bemühungen um Erfolg so ehrgeizig, dass ihre Mutter sicher war, dass es ihr auf keinen Fall Spaß machen konnte. Sie hatte kaum Freunde und verbrachte den größten Teil ihrer Zeit mit Ziada und amüsierte ihre kleine Schwester mit Abenteuergeschichten und Spielen, die sie für alle möglichen Situationen erfinden konnte. Bei den Spielen war Malaika die furchtlose Jägerin oder die lebensrettende Ärztin und Ziada das hilflose Wild oder die sterbende Patientin.
»Bitte!«, flehte Malaika, weil sie spürte, dass ihre Mutter nachgiebiger wurde.
»Malaika.« Hamis stand aus dem
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