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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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als eine Ausrede. Ja, eine Ausrede dafür, nicht glücklich zu sein.«
    »Wie kannst du es wagen, das zu sagen?«
    »Weil ich genug davon habe, wie du den Fluch für alles Unrecht verantwortlich machst, das uns zustößt. Jedes Mal, wenn wir einen schlechten Tag auf dem Markt haben, ist es der Fluch. Jedes Mal, wenn eines der Kinder hinfällt, ist es der Fluch. Der Massaistamm wird nicht aussterben, weil der alte Sendeyo deinen Großvater verflucht hat. Und unsere Familie wird davon auch nicht sterben.« Er hob die Hände zum Himmel, um das zu betonen. »Aber ich sage dir eines, Penina, unser Zusammenleben wird sterben, wenn du das nicht sein lässt.«
    Penina warf das Perlenkissen aufs Sofa und stürmte in die Küche. Sie war noch nie so wütend auf ihn gewesen. Deshalb weigerte er sich also, ihr bei der Disziplinierung der Mädchen zu helfen! Er hielt sie für verrückt. All diese Jahre hatte er ignoriert, was sie gesagt hatte, obwohl die Anzeichen für den Fluch deutlich genug waren.
    Malaika erschien in der Küchentür, Ziada an der Hand. Der anklagende Zeigefinger ihrer Mutter richtete sich auf ihr Gesicht. »Hast du gesehen, welchen Unfrieden du in dieses Haus bringst?« Ihr Gesicht war vor Zorn verzerrt, ihr Mund eine dünne Linie. »Also gut, ich werde aufhören, mir Sorgen zu machen. Jetzt ist es Hamis’ Sache. Geh nach Nairobi, wenn du unbedingt willst. Aber eines sollst du wissen – du wirst in diesem Haus kein Mitleid finden, wenn du dort Ärger bekommst.«
     
    »Geh nicht, Malaika, bitte, geh nicht.« Ziada schniefte. Sie saß auf ihrem Bett in dem Zimmer, das sie seit ihrer Geburt mit Malaika geteilt hatte. Ihre Tränen waren zu salzigen Spuren auf ihren runden Wangen getrocknet.
    »Ich muss gehen, Ziada. Du weißt, was Mama gesagt hat. Und ich will auch gehen.« Die Tuchtasche, die Malaika packen wollte, lag auf dem Boden. All ihre Kleidung und die wenigen persönlichen Gegenstände, die sie mitnehmen wollte, hatte sie aufs Bett geworfen.
    »Aber was ist mit mir? Wer wird meine Freundin sein?« Ziada hatte seit einem Monat das gleiche Argument verwendet, seit ihre Mutter zu Malaika gesagt hatte, sie solle gehen.
    »Du hast Freundinnen. Sie necken dich nicht und beschimpfen dich auch nicht.«
    »Aber du könntest auch Freundinnen haben. Eines Tages.«
    »Ich brauche keine. Und ich werde Freundinnen in Nairobi finden.«
    »Oh, kannst du mich nicht mit nach Nairobi nehmen, Malaika? Bitte.«
    Malaika nahm ein Stück Tuch und putzte Ziadas Nase. Sie setzte sich neben sie aufs Bett.
»Kidogo«,
sagte sie – sie hatte diesen Spitznamen, das Wort für »klein«, benutzt, seit Ziada zur Welt gekommen war. »Ich habe es dir doch schon gesagt. Du bist zu klein. Und ich werde zu viel zu tun haben, um mit dir spielen zu können.«
    »Aber was wirst du in Nairobi tun? Wo wirst du wohnen?«
    »Hamisi hat einen Onkel in Nairobi. Er arbeitet in einem Krankenhaus. Dort gibt es viele Krankenschwestern und Ärzte. Hamis sagt, sein Onkel wird versuchen, mir dort Arbeit zu besorgen.«
    »Als Ärztin?«
    »Na ja, vielleicht. Wenn ich noch mehr gelernt habe.«
    »Nimm mich mit! Nimm mich mit! Nimm mich mit … bitte.«
    »Kidogo,
das kann ich nicht. Aber eines Tages werde ich zurückkommen. Wenn ich Geld habe. Dann nehme ich dich mit nach Nairobi.«
    Ziada warf sich aufs Bett und drückte das Gesicht aufs Laken.
    »Weine nicht, Ziada. Sieh mal, hier ist meine Halskette – du kannst sie behalten, bis ich zurückkomme.« Sie zog die Kette über den Kopf und reichte sie ihrer Schwester.
    Ziada schniefte und wischte sich mit dem Arm über die Nase. »Deine Halskette?«
    »Ja. Du weißt, wie wichtig sie mir ist, also glaubst du mir jetzt auch, dass ich zurückkommen werde, um sie mir wiederzuholen?«
    »Deine wunderschöne Halskette …« Sie hielt sie in der Handfläche. »Deine sehr teure und schöne Halskette?« Der Malachit hatte die Größe und Farbe einer grünen Erbse mit Schnörkeln von dunklerem Grün. Drei rote Handelsperlen waren auf jeder Seite davon aufgefädelt. Malaika hatte wochenlang leere Flaschen gesammelt, um die Perlen kaufen zu können, und zusammen hatten die Schwestern sie auf ein Stück Angelschnur gefädelt.
    »Ja, aber nur, bis ich dich nach Nairobi hole. In Nairobi gibt es so viel Malachit, dass du alles haben kannst, was du willst. Und es ist sogar noch schöner.«
    Ziada schlang ihrer großen Schwester die Arme um den Hals und klammerte sich an sie. »Ich hab dich lieb, Malaika. Ich hasse

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