Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Steuern. Das muss endlich aufhören. Wäre da nicht die Renaissance, die manches zum Besseren wendet, könnte die Sache übel ausgehen. Louis XII. ist viel zu versessen darauf, seine italienischen Provinzen zurückzuholen. Die Königin tut mir leid, weil sie so viel alleine ist.«
»Geht es Euch nicht auch so, Catherine?«
»Doch, Ihr habt recht. Die Königin muss Opfer bringen, und meine eigenen sind auch nicht unbedeutend. Nur Louise bleibt zurzeit davon verschont – sie hat keinen Mann, und ihr Sohn ist noch viel zu jung für den Krieg.«
»Ich glaube, sie zittert um Charles de Bourbon.«
»Montpensier wird schon nichts zustoßen. Er kommt immer irgendwie gut weg. So viel Glück hatte Nemours leider nicht. Habt Ihr Marguerite in letzter Zeit gesehen?«
»Ich war noch vor Kurzem in Amboise. Die arme Kleine trauert schrecklich um ihn. Gaston de Foix war der Mann ihrer Träume. Jetzt hat sie ihre Mutter gebeten, nach Blois reisen zu dürfen. Sie will einige Zeit bei ihrem Bruder verbringen. Der Tod von Nemours hat sie schwer getroffen.«
»Ich glaube, sie hätte ihn gern geheiratet.«
»Das wäre ohnehin unmöglich gewesen«, seufzte Alix. »Zu viele Namen sind im Gespräch, wenn es um ihren Zukünftigen geht. Das Königreich hätte diese Ehe nicht gestattet.«
»Wurde der Name des jungen Nemours nicht auch gehandelt?«
»Louise sagte mir, er sollte nach seiner Rückkehr aus Italien verheiratet werden – aber nicht mit Marguerite.«
Wieder tupfte sich Catherine den Schweiß von der Stirn und
bereute allmählich, dass sie sich für ein pelzgefüttertes Kleid entschieden hatte. Sie lockerte ihr Mieder ein wenig, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, und kam noch einmal auf Marguerite zurück.
»Nachdem Nemours tot ist, kann sie sich mit dem Gedanken trösten, dass ihn wenigstens keine andere Frau bekommt. Erinnert Ihr euch noch, was für ein schönes Paar die beiden abgegeben haben, als ich Euch Schloss Chenonceau gezeigt habe? Wo steckt überhaupt Alessandro? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr ohne ihn hier seid.«
»Ihr haltet mich wohl nicht für fähig, allein zu reisen?«, gab Alix lachend zurück. »Dabei könnte ich es in dieser Hinsicht mit einigen Männern aufnehmen. Schon als kleines Mädchen bin ich allein durch die Gegend gezogen.«
»Das wollte ich auch gar nicht behaupten, meine Liebe. Ich weiß sehr wohl, dass Ihr schon als Kind sehr mutig wart.«
Catherine drückte Alix liebevoll an sich. Sie hatten so viele Gemeinsamkeiten, und manche Charaktereigenschaften teilten sie auch mit der Comtesse d’Angoulême. Zum Beispiel die Hartnäckigkeit, mit der sie in ihrem Sohn den künftigen König von Frankreich sah, trotz der zahlreichen Hindernisse, die ihm noch im Weg standen. Ihre Beharrlichkeit! Auch in diesem Punkt waren sich die drei Frauen sehr ähnlich, und es fehlte ihnen auch nicht am nötigen Fleiß.
»Louise hat ihre Ängste noch immer nicht ausgestanden«, flüsterte Catherine Alix ins Ohr. »Die Königin ist wieder schwanger.«
»Aber man munkelt, dass es wieder kein Dauphin wird und sie zusehends geschwächt ist. Diese vielen Schwangerschaften haben sie ausgelaugt. Gut ausgegangen sind sie nur bei ihren beiden Töchtern.«
»Ist die kleine Renée wohlauf?«
»Es heißt, sie sei sehr lebhaft und fröhlich.«
»Also anders als ihre ältere Schwester Claude?«
»Claude ist ein sanftes, freundliches Mädchen«, verteidigte sie Alix. »Sie ist zwar nicht unbedingt die ideale Frau für François, aber sie wird ihm keinen Ärger machen. Schon jetzt stehen sein Wohlergehen und sein Glück für sie an erster Stelle. Wie liebenswürdig sie ist, könnt Ihr zum Beispiel daran sehen, dass sie mich bat, einen kleinen Teppich zu weben, den sie ihm schenken will.«
»François scheint mir ein richtiger Frauenheld zu sein. Wusstet Ihr, dass er nach unserem Ausflug nach Chenonceau Eure Cousine Constance besucht hat?«
»Ja, das weiß ich, Catherine«, sagte Alix lachend, »schließlich habe ich ihn selbst dazu verleitet. Sonst wäre er vermutlich in irgendeiner Taverne gelandet und in einem Zustand zurückgekommen, in dem er Louise seine Eskapade nicht hätte verheimlichen können. Ihr wisst sicher noch, dass seine Mutter nicht unterrichtet war. Marguerite hatte ihren Bruder überredet, ihr ein Treffen mit Nemours zu ermöglichen.«
Als sie plötzlich eine Stimme hinter sich hörten, drehten sich die beiden Frauen gleichzeitig um.
»Oh, Catherine Bohier!«, rief Alessandro. »Ich
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