Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Mannes übernommen.«
»Dame Cassex ist eine leidenschaftliche Verehrerin von schönen, schillernden Millefleurs«, erklärte Van de Veere.
»Noch besser gefallen mir jetzt aber die neuen Ideen Eurer Renaissance. Ich werde mich sehr ernsthaft damit auseinandersetzen, und sobald ich aus Florenz zurück bin …«
»Ihr wollt also nach Florenz reisen?«
»Ja, im Frühling.«
Alessandro nahm Sangallo zur Seite.
»Ich würde gern eine Baumaßnahme für den Palazzo Medici mit Euch besprechen, mein Freund. Wie Ihr wisst, fungiere ich noch immer als Mittelsmann für die großen Bauvorhaben, die dort begonnen werden. Könnten wir uns vielleicht treffen, wenn ich wieder in Florenz bin?«
Als der Baumeister sein Einverständnis signalisiert hatte, ermunterte Alessandro Alix, sich weiter mit Sangallo zu unterhalten, der sie wohlwollend musterte. Er hatte die Stirn nicht mehr hochgezogen und machte einen richtiggehend beflissenen Eindruck, was nicht zuletzt daran lag, dass ihn diese junge Frau unter Umständen wieder beim König von Frankreich einführen
konnte. Jedenfalls beschloss er sich anzuhören, was sie zu sagen hatte.
»Als ich Eurem König meinen Vorschlag unterbreitete, hatte er erst kurz zuvor den Thron bestiegen. Er schien mir sehr viel Ärger mit seiner Wiederverheiratung zu haben und traf im Grunde kaum große Entscheidungen. Es war die Zeit, als ganz Italien mit der armen Königin fühlte, die man in ein Kloster verbannt hatte.«
»Da war sie damals noch nicht.«
»Nun gut, aber Euer König wollte sie verstoßen. Er wartete nur noch auf die Zustimmung des Papstes. Und weil Cesare Borgia zu sehr in seiner Schuld stand, um ihm diesen Wunsch zu verweigern, wagte er ihm nicht zu widersprechen. Hat es überhaupt einen Prozess gegeben?«
Wieder einmal war Alix sehr froh über ihre Freundschaft mit Louise, die sie ständig über alles auf dem Laufenden hielt, was sich im Königreich zutrug. Wie sonst hätte sie sich in diesen vornehmen Kreisen bewegen sollen?
»Ja, und der Prozess war sehr peinlich. Doch obwohl Jeanne de France körperlich in einem sehr schlechten Zustand war, hatte sie sich geistig vollkommen unter Kontrolle. Sie hat jeden Skandal vermieden und der Witwe Anne de Bretagne ohne Aufhebens den Platz geräumt.«
»Wie steht es gegenwärtig um Euren König?«
»Ich bin überzeugt, er würde Euch gern empfangen, Maître Sangallo.«
»Ich werde bei ihm vorstellig werden und bei der Gelegenheit auch gleich Euch einen Besuch abstatten und Eure Werkstätten besichtigen. Vielleicht bringe ich sogar einige große Aufträge mit.«
18.
Louise, die sonst Vernunft und Leidenschaft äußerst präzise zu dosieren pflegte, schien durchaus noch nicht bereit, ihren Geliebten wegzuschicken, und ging in ihrer Begeisterung sogar so weit, ihm den Gedanken schmackhaft zu machen, mehrere Wochen in Amboise zu bleiben.
Die Idee, ihre Tochter in Blois zu besuchen, gefiel ihr natürlich. Allerdings hatte sie vorschnell geantwortet; Marguerite hatte sie im Grunde überrumpelt und Louise gar keine andere Wahl gelassen, auch wenn das keinem aufgefallen war.
Ein Aufenthalt in Blois erschien Louise ausgerechnet jetzt, wenn die Königin ihr Wiedersehen mit Louis feiern würde, nicht besonders verlockend. Während sie Für und Wider abwog, wurden ihr auch die Konsequenzen bewusst.
Sollte Charles seinen Besuch in Amboise verlängern, würde Marguerite den zeitlichen Rahmen, den Königin Anne der Familie d’Angoulême mit François einräumte, deutlich überschreiten.
Nach reiflicher Überlegung kam Louise zu dem Schluss, es wäre besser, Marguerite diese kleine Eskapade zu gönnen und sie rechtzeitig zurückzurufen, um ihren Sohn dann erst zu einem späteren Zeitpunkt mit ihr zu besuchen.
Nachdem sie diesen Entschluss gefasst hatte, entschied sich Louise außerdem, nicht bis zum nächsten Italienfeldzug zu warten. Seit Frankreich nach den jüngsten Ereignissen seine Position gestärkt hatte, verschlechterte sich das Klima in Venedig und Rom merklich, und auch Neapel und Mailand neigten zur Rebellion.
Wenn Louise gedrückter Stimmung war und sich nicht einmal von Charles’ Umarmungen ablenken ließ, verfiel sie in Angst und Sorge um ihren Sohn. Eines Tages war es unweigerlich so weit, dass François an der Seite des Königs in den Krieg ziehen musste. Mit Helm und Federbusch würde er neben ihm herreiten. Das Schwert würde ihm bei jedem Schritt, den das Pferd machte, gegen den Schenkel schlagen, und seine funkelnde
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