Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
Vom Netzwerk:
dachte mir doch, dass ich Euch hier irgendwo in diesem unbeschreiblichen Durcheinander treffen würde.«
    An Alix gewandt sagte er: »Ich habe dich schon überall gesucht, mein Herz. Allmählich begann ich zu befürchten, du wärst in deine geliebte Touraine zurückgekehrt, ohne mir Bescheid zu sagen.«
    »Wie kommst du denn darauf? Dabei bin ich doch nur damit beschäftigt, meine Reise nach Florenz vorzubereiten!«
    »Davon habt Ihr mir ja noch gar nichts erzählt, Alix!«, meinte Catherine und warf ihr einen amüsierten Blick zu.
    »Es hatte sich noch nicht ergeben.«
    »Wann wollt Ihr denn nach Florenz reisen?«
    »Im Laufe des Frühlings.«
    »Oh, das ist aber schon bald!«
    »Deshalb will ich auch meine Koffer packen, sobald ich wieder in Tours bin.«
    »Mach dir keine unnötige Mühe, mein Herz, in Florenz wartet alles auf dich, was du brauchst: Parfum, Schmuck, Kleider …«
    »Ich habe eine Idee, Catherine!«, rief Alix begeistert. »Ich bringe Euch ein Schmuckstück aus Florenz mit!«
    »Und wir lassen es von meinem Freund entwerfen …«
    »Ganz im Stil der Renaissance!«, unterbrach sie Alix enthusiastisch. »Was haltet Ihr davon? Ich bin Euch ohnehin ein Geschenk schuldig für den großen Auftrag, den Ihr mir gegeben habt.«
    Alessandro hakte sich bei Alix unter und machte ein neugieriges Gesicht.
    »Donnerwetter! Was habt Ihr denn in Auftrag gegeben?«
    »Auf Anraten Eurer Freundin Tapisserien ohne Damen und Herren, ohne Einhörner und Millefleurs, mein lieber Alessandro.«
    »Das ist nicht ganz richtig, Catherine. Ihr hattet euch doch schon vorher für ein weltliches Thema entschieden. Bestimmt komme ich voller Inspirationen aus Florenz zurück. Du musst mich mit allen großen Renaissancekünstlern bekannt machen, Alessandro.«
    »Es würde mich sehr wundern, wenn du hier in Lyon nicht schon einigen begegnen solltest. Wir sind sozusagen umringt von Berühmtheiten. Sieh nur!«
    Alessandro deutete auf einen großen, vornehm gekleideten Mann, der mit dem Rücken zu ihnen stand.
    »Möchtest du ihn kennenlernen? Wenn du willst, stelle ich ihn dir vor, und seinen Gesprächspartner gleich dazu.«
    »Wer sind die beiden?«
    »Ich glaube, der eine ist Giuliano da Sangallo«, mischte sich Catherine ein. »Habe ich recht, Alessandro?«
    »Ja, er ist es.«
    »Den anderen kenne ich aber nicht.«
    »Oh doch, Ihr würdet ihn schon erkennen, wenn Ihr ihn von vorne sehen könntet. Es ist Maestro Pacello, der Hofgärtner Eurer Königin.«
    »Der Gärtner von Königin Anne?«
    »Ja, höchstpersönlich. Findet Ihr nicht auch, dass seine Italienischen Gärten die reinsten Wunderwerke sind? Die Gartenanlagen in Blois und Amboise sind der beste Beweis dafür. Im Entwerfen weitläufiger Ensembles mit Terrassen, Säulen und Pergolen ist er ein großer Künstler.«
    Ein dritter Mann gesellte sich zu ihnen und wurde stürmisch begrüßt.
    »Aber das ist ja mein Freund, der Maler Jan Van Roome!«, rief Alix.
    »Wie ich mich freue, Euch wiederzusehen, Alix! Was macht Eure Arbeit? Und wie geht es der Sibylle ?«
    »Ich bin die glücklichste Frau auf der ganzen Welt! Augustus und die Sibylle entstehen gerade auf meinen Webstühlen, Maître Van Roome.«
     
    Während seines Aufenthalts in Lyon musste Sire Van de Veere mit Signor le Grand Argentier – wie man ihn in Florenz nannte – also dem Finanzminister, ein großes Projekt mit dem »Art de la Soie« finanzieren, einer Vereinigung einflussreicher Mitglieder der Seidenzunft.
    Der Grand Argentier von Florenz spielte überall, wo es um Tuche und Stoffe ging, eine wichtige Rolle. Er lockte Mailänder und Neapolitaner, die verrückt waren nach Samt und Seide, nach
Frankreich und vor allem nach Lyon. Jeder, der in Italien zum gehobenen Bürgertum oder zum Adel gehörte, kannte ihn. Zusammen mit den vier Gonfaloniere, die sich den Florentiner Geldmarkt teilten, belebte und kontrollierte er mit strenger Hand den Handel mit Seide und Goldfaden im gesamten Mittelmeerraum, so wie der berühmte Grand Argentier Jacques Cœur im Jahrhundert zuvor. Doch seine Macht reichte noch weiter: Er hatte auch ein wachsames Auge auf die Kassen der Stadt und der Kirche und die der prunkvollsten Residenzen, zu deren Finanzierung er beigetragen hatte.
    Um ihre Schlösser im Val de Loire zu bauen oder zu renovieren, gehörten die Bohier, die Robertet, die de Beaune und die Chaumont d’Amboise zu den treuesten Kunden des Grand Argentier von Florenz, weil diese Kredite aus dem Ausland nirgends in den

Weitere Kostenlose Bücher