Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
zögert, seinen Feldzug zu finanzieren. Der Papst scheint sich richtiggehend in den Kampf zu stürzen! Er will die Venezianer seiner päpstlichen Oberhoheit unterwerfen. Dabei ist Rom sehr reich! Warum sollte es seine eigenen kriegerischen Unternehmungen nicht mit den Schätzen des Vatikans bezahlen? Welchen Standpunkt nimmt Euer Onkel, Kardinal Jean de Villiers, in dieser Sache ein? Ist er dem Val de Loire immer noch verbunden genug, um den Papst zu überzeugen, dass es unserem König an Mitteln fehlt, den Krieg des Papstes gegen Venedig finanziell zu unterstützen, in dem es für Frankreich im Übrigen nichts zu gewinnen gibt? Könnte er ihm nicht vielleicht erklären, dass es uns schon schwer genug fällt, diese Italienkriege zu bezahlen, die nur den einen Sinn haben, Neapel und Mailand wieder ins französische Königreich zurückzuholen?
Und welche Rolle spielt Maximilian von Österreich in dieser Geschichte, der natürlich auch auf einen Sieg über Venedig hofft, um den Handel mit dem Orient an sich reißen zu können? Er hatte eine große und starke Armee. Warum kann er dem Pontifex nicht helfen?
Es ist alles sehr vertrackt, und ich wünschte, die Konflikte würden endlich gelöst, weil ich immer daran denken muss, dass der König François und seine jungen Waffenbrüder auf seinen nächsten Feldzug mitnehmen will.
Diese Vorstellung ist mir schrecklich. Wenigstens gibt es einen Lichtblick unter all diesen reichlich finsteren Gedanken an Italien, nämlich die bevorstehende Hochzeit von Marguerite. Ehe der König nach Genua aufgebrochen ist, habe ich mit ihm ausführlich die Konsequenzen ihrer Verheiratung besprochen, bis wir uns schließlich auf den Namen ihres Zukünftigen einigen konnten.
Es handelt sich um einen Edelmann aus dem vornehmsten Adel, einen stolzen Soldaten und tapferen Kämpfer, der bereits einige Siege für sich zu verbuchen hat, und den Louis XII. zu schätzen, zu ermutigen und nun auch zu belohnen wusste, indem er ihm die Prinzessin zur Frau gibt, die in der Rangfolge gleich nach Frankreichs erster Prinzessin Claude kommt.
Nun darf ich Euch also freudig und vor allem sehr beruhigt den Namen dieses jungen Herrn verraten: Es ist Charles d’Alençon. Alix, stellt Euch vor! Meine Tochter wird zur Herzogin dieser mächtigen französischen Adelsfamilie, die seit bald einem Jahrhundert wegen Rangstreitigkeiten mit dem Hause d’Angoulême verfeindet war. Der König scheint entzückt, dass er so die Aquitaine und die Normandie vereinen kann, und ich bin sehr erleichtert zu wissen, dass Marguerite Frankreich nicht verlassen muss und immer ein Auge auf ihren Bruder haben kann.
Ihr könnt Euch denken, wie glücklich mich diese Heirat macht, weil meine Tochter dann nicht mehr als die arme Verwandte der Herrscherfamilie gilt, die ich lange gewesen bin. Von nun an kann sie sich verteidigen und ihr Vermögen mehren.
Bestimmt wollt Ihr wissen, wie Marguerite dazu steht, liebe Alix?
Ich muss gestehen, dass sie immer noch sehr melancholisch ist, weil sie den Mann ihres Herzens für immer verloren hat. Zu ihrem Trost konnte ich ihr nur sagen, was sie ohnehin wusste, nämlich dass auch keine andere Frau in den Armen dieses edlen Herrn liegen darf. Gott sei seiner Seele gnädig!
Meine Tochter war schon immer sehr klug und vorausschauend. Sie wird einen Weg finden, wie sie mit diesem Mann leben kann, den sie nicht kennt und der sie alles Wichtige lehren wird. Oder wenigstens das meiste! Meine Tochter ist in vielen Bereichen so bewandert, dass ihr Mann ihr vielleicht nicht immer das Wasser reichen kann. Aber so ist es nun einmal, und ich werde es nie bereuen, sie zu einer gebildeten Frau erzogen zu haben. Ihre angeborenen Talente zusammen mit ihren hervorragenden Kenntnissen werden ihr ein Leben lang nützlich sein.
Ich muss nun schließen, meine liebe Alix, aber da ich ja weiß, wohin ich meine Briefe schicken muss, werde ich Euch gerne weiter über die Ereignisse auf Château d’Amboise auf dem Laufenden halten.
Es grüßt Euch herzlich
Eure Louise
Alix wollte über den Brief nachdenken, wurde aber bald durch ein Klopfen an der Tür gestört. Ein Kopf erschien im Türspalt.
»Habt Ihr einen Wunsch, Dame Alix?«
Die schöne Tania stand plötzlich vor ihr. Sie bewegte sich immer geräuschlos wie eine Katze, glitt mehr über den Boden als dass sie ihn betrat. Dann sah sie ihre Herrin mit ihren schrägen grünen Raubtieraugen an und wartete auf ihre Befehle.
»Nein danke, Tania, ich brauche nichts«,
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