Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
Vom Netzwerk:
bekam wieder Lust, neue Kunden zu werben, wie sie es sich schon vor ihrer Abreise aus Tours vorgenommen hatte. Mit Unterstützung von Constance konnte sie ihre Suche nach neuen Aufträgen fortsetzen.
    Der Sommer neigte sich dem Ende zu, aber der Herbstanfang versprach warm und trocken zu werden und den heißen Wind aus Kalabrien ein wenig abzukühlen. Keine einzige Wolke stand am Himmel, und auf dem Land reifte das Korn, das kurz vor der Ernte fast die gleiche leuchtend goldbraune Farbe hatte wie die Haare der Florentinerinnen.
    »Alix!«, rief Constance und lief auf ihre Cousine zu. »Wie rund du geworden bist, seid wir uns in Genua getrennt haben!«
    Angela hatte sich diskret zurückgezogen, und die beiden Cousinen umarmten und herzten sich vor Freude über ihr Wiedersehen.
    »Ich glaube, das Kind wird bald auf die Welt kommen«, meinte Alix und hielt sich ihren dicken Bauch. »Wenn ich mich so rund und schwer fühle, bin ich ganz hin- und hergerissen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, einerseits mache ich mir große Sorgen, weil Alessandro bei der Geburt nicht anwesend sein wird, andererseits bin ich unendlich erleichtert, dass er meinen verunstalteten Körper nicht zu Gesicht bekommt.«
    Constance nickte verständnisvoll.
    »Bei meinen anderen Schwangerschaften habe ich, glaube ich, nicht so zugenommen«, fuhr Alix fort. »Innerhalb weniger Wochen hat mein Bauch beunruhigende Ausmaße angenommen.«
    »Ich habe gehört, dass Alessandro auf dem Weg nach Venedig ist. Das tut mir sehr leid für dich. Er hätte dich nicht allein lassen dürfen. Aber so sind sie nun einmal, die Männer.«
    »Weißt du was?«, sagte sie und nahm ihre Cousine am Arm. »Ich glaube, du sitzt viel zu viel im Haus, mein Schatz. Wir sollten ausgehen und Leute treffen. Damit fangen wir am besten gleich an: Ich lade dich morgen zu mir ein.«
    »Wieso denn gleich morgen?«
    »Weil ich morgen interessante Gäste erwarte, die du unbedingt kennenlernen musst.«
    »Aha!«, sagte Alix in einem Ton, und man hörte ihr an, dass sie sich wieder amüsieren wollte, »aber sag doch mal, seit wann bist du zurück?«
    »Ich bin erst seit zwei Tagen wieder in Florenz. Leider sah ich mich durch die neuesten Ereignisse dazu gezwungen.«
    »Sehr betrübliche Ereignisse leider. Aber angeblich haben wir hier in Florenz nichts zu befürchten.«
    Vergnügt zogen sich die beiden Frauen in Alix’ Zimmer zurück, um ungestört und ausgiebig zu schwatzen. Angela hatte sie allein
gelassen. Ihren nächtlichen Spaziergang durch den Garten konnten sie ein andermal machen.
    »Ich bin schon ganz durcheinander«, seufzte Alix. »Edelleute, Bankiers, Soldaten, Prälaten – alle sind in großer Unruhe. Die einen kommen, die anderen gehen. Und ich sitze hier und kann gar nichts tun.«
    »Jetzt bin ich doch da und werde dich unterhalten.«
    »Ich hatte ja nicht geahnt, dass es so weit kommen würde«, jammerte Alix. »Bestimmt lassen mich wieder alle im Stich wie bei den ersten Entbindungen.«
    »Nein, bestimmt nicht!«, protestierte ihre Freundin empört, »ich bleibe bei dir, und Angela auch, die ich übrigens sehr nett finde.«
    »Da hast du recht, sie ist sehr freundlich und großherzig. Ich beglückwünsche mich jeden Tag aufs Neue, dass ich sie den Klauen dieses grauenhaften Händlers entrissen habe, der sie ausgebeutet hat und nur darauf wartete, dass sie alt genug würde, um sie wie ihre Mutter zu missbrauchen.«
    »Wie bist du mit den beiden Byzantinern zufrieden, die du aus Genua mitgebracht hast?«
    »Tania ist sehr vernünftig und höflich, aber ihr Bruder ist eingebildet, anmaßend und aggressiv. Ich weiß nicht, ob ich ihn behalten kann.«
    »Müsstest du dich dann nicht auch von seiner Schwester trennen?«
    »Ich glaube, sie will bei mir bleiben. Wahrscheinlich sagt sie sich, dass ihre eigene Zukunft Vorrang hat, weil sie nicht ewig mit ihrem Bruder zusammen sein kann. Früher oder später lernt er ohnehin eine Frau kennen, und dann steht ihm die Schwester nur noch im Weg.«
    Sie hatten es sich auf dem großen Bett bequem gemacht, das
den gesamten hinteren Teil des Zimmers einnahm. Hinter den geöffneten Bettvorhängen, die mit Brokatbändern zusammengebunden waren, sah man das geschnitzte Bettgestell. Es war ein quasi königliches Bett, groß und breit, mit zwei gepolsterten Stufen, über die man bequem hineinsteigen konnte. Wie viele leidenschaftliche Nächte hatte das Liebespaar hier verbracht? Die Erinnerungen waren noch frisch und überkamen Alix.
    Constance

Weitere Kostenlose Bücher