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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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nichts davon.«
    »Ich will mit dir kommen!«
    So leid es ihm tat, musste er ihr doch die einzige Antwort geben, die sie aufhalten konnte.
    »Willst du etwa dein drittes Kind töten? Das lasse ich nicht zu. Ich will es eines Tages sehen, es berühren und küssen. Auch wenn es in meiner Abwesenheit geboren wird.«
    Alix’ Widerstand schmolz dahin, und sie brach in Tränen aus. Noch nie zuvor hatte er sie so verzweifelt erlebt. Sie schluchzte heftig. Er streichelte sie lange und murmelte beschwörende Worte,
die sie schließlich ein wenig beruhigten. Willenlos ließ sie es mit sich geschehen und sagte nichts mehr. Doch dann versiegten ihre Tränen plötzlich, sie presste sich an ihn und ihre Finger krallten sich in seinen Rücken. Langsam, aber ohne das gewohnte endlose zärtliche Vorspiel nahm er sie. Sie stieß einen kleinen spitzen Schrei aus und sank reglos in die Kissen.
    »Habe ich dir wehgetan?«, fragte er erschrocken.
    »Nein, nein! Aber ich schwöre dir, dass ich nachkommen werde.«
    »Tu das nicht, mein Herz. Du setzt nicht nur das Leben deines Kindes aufs Spiel, sondern auch dein eigenes. Alle ausländischen Mächte sind gegen Venedig. Maximilian von Österreich hat über zehntausend Schweizer rekrutiert, um die Stadt zu besiegen. Die Armee von Eurem König ist stark und unter guter Führung – zwanzigtausend Infanteristen, unterstützt von den Söldnern der Borgia, denen die Venezianer zutiefst verhasst sind. Bald stoßen noch die Soldaten aus Florenz dazu, die dem Papst zu Hilfe eilen. Dieser Übermacht wird der Doge von Venedig nicht lange standhalten, aber es kann sein, dass die Stadt monatelang belagert wird.«
    »Aber sagtest du nicht eben selbst, die Soldaten aus Florenz stoßen bald dazu? Dann kannst du dir doch auch noch Zeit lassen!«
    »Nein, mein Herz. Ich breche schon morgen nach Venedig auf, um mich vor Ort über die Lage zu informieren. Anschließend muss ich nach Rom und mich mit Papst Julius II., Jean de Villiers und einigen anderen Kardinälen treffen. Ich verspreche dir aber, ehe ich wieder nach Venedig reise, komme ich auf dem Rückweg von Rom zu dir nach Florenz.«
    »Versprich es mir, Alessandro!«
    »Ich schwöre es dir, mein Herz.«
    Er küsste sie, und ihr Atem wurde eins. Endlich wich die Spannung von Alix, und sie schlief beruhigt ein.

23.
    Allmählich erholte sich Alix von ihrer Enttäuschung über Alessandros Abreise, und als sie gerade wieder Geschmack an ihren langen Spaziergängen durch das wunderschöne Florenz fand, brachte ihr Giorgio einen Brief, der das Siegel des Hauses d’Angoulême trug.
    Das bedeutete eine schöne Abwechslung von den vorhergegangenen Tagen, an denen sie nicht müde wurde, ihr Unglück zu beklagen. Dabei liebte Alessandro sie und schien seine Vaterschaft, die er mit unverhohlenem Vergnügen anerkannte, nicht bestreiten zu wollen. Aber warum um alles in der Welt ließ er sie ausgerechnet in dem Augenblick allein, in dem sie ihr Kind zur Welt bringen musste? Zum dritten Mal musste sie also diese Prüfung allein bestehen, die ihr große Angst machte.
    Mit einem betrübten Seufzer nahm sie das Schreiben entgegen. Wie immer hatte Louise ihr eigenes Siegel verwendet. Obwohl es ihr der König ausdrücklich erlaubt hatte, wollte sie das Siegel des Hauses d’Amboise nicht verwenden, weil sie die bissigen Bemerkungen Königin Annes fürchtete, die sich ein Vergnügen daraus machen würde, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Sohn noch nicht den Thron bestiegen hatte.
    Als Giorgio gegangen war, setzte sich Alix an ihren Schreibtisch, weil sie ihrer Freundin unverzüglich antworten wollte. Ungeduldig öffnete sie den Umschlag und faltete den ausführlichen Brief auseinander. Während der Lektüre dachte sie mit Sehnsucht an ihr geliebtes Val de Loire. Ihre Freundin Louise schien sehr glücklich
über die bevorstehende Heirat ihrer Tochter zu sein, die auf Amboise gefeiert werden sollte, sobald der König zurück war.
    Alix holte tief Luft, und weil ihr Heimweh während des Lesens immer stärker geworden war, stand sie auf, warf sich auf ihr Bett und begann den Brief noch einmal von vorn.
    Meine liebe Alix,
    hoffentlich ist bei Euch alles in Ordnung – trotz der Gerüchte, die über die Spannungen zwischen Franzosen, Venezianern und Florentinern kursieren. Hier im Val de Loire erzählt man sich sogar, dass sich jetzt selbst Rom den Truppen des französischen Königs anschließen will, und dass Papst Julius II. sehr verärgert darüber ist, weil der König

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